Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (07. Mai 2017)
 
Wir sind nicht Wangenkuss
 

   Ich weiss noch genau, dass ich es ziemlich affig fand, als es irgendwann in meinem Freundeskreis mit diesen Wangenküssen anfing. Von einem Tag auf den anderen gab man sich zur Begrüssung ein Bussi links und ein Bussi rechts. Oder ein Bussi rechts und ein Bussi links. So genau weiss ich es leider auch wieder nicht.

   Bei dieser Art der Begrüssung muss man sich voll konzentrieren, sonst schlägt man sich gleich zu Beginn die Köpfe ein. Welche Wange wird einem zuerst angeboten? Will das Gegenüber zwei oder drei Bussis? Und will es die Bussis nur gehaucht oder geknutscht?



   Ich bin immer froh, wenn ich diesen Teil der Begrüssung hinter mir habe. Ich habe dieses Hallo-Gebussel stets als unpassend und unangenehm empfunden - vor allem das kratzige Gebussel unter Männern. Wir äffen da irgendwelche Begrüssungsrituale aus dem Ausland nach, dachte ich, sagte aber nichts. Ich wollte nicht als rückständig gelten. Oder gar als ausländerfeindlich. Ausserdem riechen die meisten Frauen schon ganz gut.

   Die einzige Form des Widerstand, die ich mir heute noch leiste: Ich bussel nicht mit jedem. Menschen, die ich nur vom Sehen her kenne, kriegen von mir die Hand gereicht, da kann die Stimmung noch so weinselig sein. Dies kann bei Betroffenen zu einem brachialen Wechselbad der Gefühle führen, wenn zum Beispiel meine Frau eine Bekannte abbusselt und ich dieser Bekannten anschliessend nur die Hand hinhalte. Manche schauen dann derart irritiert, als ob ich ihnen zru Begrüssung die Zunge rausgestreckt hätte.

   An dieser Stelle begrüssen wir Bundesinnenminister Thomas de Maiziere, und zwar per Handschlag. De Maiziere hat diese Woche für Diskussionen gesorgt, weil er zehn Thesen für eine "deutsche Leitkultur" veröffentlicht hat. Nach dem Kanzlerin Merkel (CDU) ein bis zwei Milliönchen Ausländer ins Land gelassen hat, will de Maiziere (CDU) mit Blick auf die Bundestagswahl den nun zum Teil etwas verunsicherten Stimmberechtigten hierzulande erklären, was eigentlich noch deutsch an Deutschland ist. So etwas nennt man Arbeitsteilung.



   "Wer sind wir?", fragte de Maiziere in seinem Beitrag - und landete natürlich beim kleinsten gemeinsamen Nenner: "Wir sind nicht Burka!". Das hat ihm die gewünschten Schlagzeilen gebracht, wobei leider kaum Erwähnung fand, dass der Innenminister sinngemäss auch gefordert hat: "Wir geben zur Begrüssung die Hand", steht da in der These eins. Kein Wort von Umarmungen oder gehauchten oder gar geknutschten Küssen, somit hat sich der Minister wohl klar bussioniert: Wir sind auch nicht Wangenkuss.

   Endlich sagt es mal einer! Wenn sich alle Migranten daran halten, werde ich der Erste sein, der die Hand ausstreckt.

 

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