Manchmal ähnelt das Leben
einer Sitzung im Wartezimmer. Man wartet eine gefühlte Ewigkeit
in der Hoffnung, dass die Sprechstundenhilfe den Namen durchsagt
oder sich kurz vor Sonnenuntergang eine Tür zu einem lichten
Raum öffnet, wo man endlich eine Diagnose bekommt, eine tiefschürfende
Erkenntnis oder wenigstens ein Lächeln.
Doch
am Ende gibt's wieder nur eine Überweisung fürs nächste Wartezimmer.
Wo man wiederum wartet. Auf einen echten Frühling. Auf die Rückkehr
in die Erste Bundesliga. Auf ein Vorwärts in Frankreich. Auf
eine Antwort auf die Frage, was es mit dieser dritten Schulter
auf dem Rücken für eine Bewandtnis hat. Und wann, bitte schön,
setzt eigentlich dieser ominöse Schulz-Effekt ein?

Tempi
passati. Stattdessen spürt man allerorten eine Art Schnulz-Effekt.
Unrasierte, über soziale Gerechtigkeit schwadronierende SPD-Politiker
sind plötzlich so was von megaout. Angela Merkel trägt neuerdings
ein heiteres Lindner-Gelb mit einem zarten Hauch Realo-Sumpfgrün.
Torsten Albig plaudert der "Bunten" aus, dass er sich
mit seiner Ex, einer Hausfrau, nicht "auf Augenhöhe"
unterhalten konnte. Eine fatale Homestory, die den Mann womöglich
seinen Ministerpräsidenten-Job gekostet hat und, was noch schlimmer
wiegt, Sympathien beim Deutschen Hausfrauenbund in Bad Oldesloe.
Zum Glück für uns alle hat Brigitte Macron eine Vorliebe für
High Heels. En marche.
Jedenfalls ...
nach der Wahl ist vor der Qual. Gut möglich, dass Nordrhein-Westfalen
aus der Europäischen Union austreten wird. Und am Ende gewinnt
beim Eurovision Song Contest eine auf englisch jodelnde Polyester-Unterwäsche,
nur leider ohne montenegrinische Zopfpeitsche. Alles wie immer
in Europa. Null von zwölf Punkten. Geistiger Stillstand. Und
nirgendwo eine Rettungsgasse.
Auch
deswegen ist die These von der Beschleunigung des Lebens durch
die Digitalisierung Kokolores. Cloudworking? Ein Euphemismus
für die tägliche Staufahrt im Starkregen. Industrie 4.0? Mindestens
so doll wie die olle Industrie 3.0, auch wenn keiner weiss,
was das war. Das ist ja alles so verwirrend. Vielleicht braucht
es eine neue Leithammelkultur.

Oder
einen Schleimpilz. Dabei handelt es sich um ein geheimnisvolles
Wesen, das weder Tier noch Mensch, Politiker oder Hausfrau ist.
Die Universität in Sydney hat herausgefunden, dass Physarum
polycephalum ganz ohne Nervensystem superschlau ist, was ein
Trost für alle Ausgebremsten ist. Diese Kreatur verwendet Spuren
anderer Schleimer als Informationsquelle und kriecht mit einer
Geschwindigkeit von einem Zentimeter pro Stunde über den Untergrund.
Das entspricht jenem Tempo, mit dem eine rasende Verteidigungsministerin
zurzeit ihren Kopf aus aus der glitschigen Schlinge zu ziehen
versucht. Bleibt nur noch abzuwarten, ob es ihr gelingen mag.
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