Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (28. Mai 2017)
 
Rührei, Speck und meine Meinung
 

   Das Kolumnistendasein ist eine feine Sache, aber vielleicht sollte man es im nächsten Leben mal mit der Reiseschriftstellerei versuchen. Als Kolumnist lebt man doch oft von Informationen aus zweiter Hand, etwa von einer Nachricht wie dieser, dass in Bayern Frauen der evangelisch-lutherischen Kirche ihre Geschlechtsgenossinen mit Sprüchen auf Bierdeckeln zum Wählen animieren wollen. Zu Bierdeckeln und Frauen kann man sich als Mann immer was aus den Rippen schnitzen. Aber bringt uns das die Welt näher?



   Da ist die Reiseschriftstellerei aus anderem Holz geschnitzt. Nur mal angenommen, man will von Stuttgart nach Irgendwohin fliegen, erfährt aber zwei Tage nach der Online-Buchung, dass der Flieger nicht fliegt. Spritgeld nicht zusammen bekommen? Pilot hat Migräne? Man weiss es nicht. Also kauft man sich ein Bahnticket nach Frankfurt, um dort an besagten Tag nach Irgendwohin zu fliegen. In Frankfurt angekommen wartet man darauf, dass den Bus einen zum Terminal bringt. Die Wartezeit wird durch eine Frauenstimme versüsst, die unablässig aus einem Lautsprecher säuselt: "Danke, dass Sie Frankfurt-Flughafen gewählt haben." Zur Sicherheit sagt sie's auch noch auf Englisch. Ich meine, dass ist doch Provokation! Die meint doch nur mich. Ich lasse mir nichts anmerken, helfe einer älteren Dame mit dem Koffer.

   Szenenwechsel: Flughafentoilette. Nein, es geht mir nicht darum, dass sie in den Tiefen der Urinale kleine Kerzen gedruckt haben, wohl um uns zu mehr Treffsicherheit zu ermuntern. Das ist nicht mein Thema. Mir geht es um den Kasten mit drei Knöpfen (Lachmund, neutrales Gesicht, Fratze mit hängenden Mundwinkeln) am Ausgang des Klos. "Ihre Meinung ist uns sehr wichtig", steht da. Nun soll man mittels Tastendruck mitteilen, ob man mit dem Zustand der Toilette zufrieden war. Eine klasse Erfindung, die zeigt, dass Bürgerbeteiligung im Kleinen anfängt. Gedrückt habe ich dennoch nicht. Die Vorstellung, dass es vor mir einer mit ungewaschenen Fingern getan hat, war mir doch unangenehm.



   Frühstück vor dem Abflug. Die Speisekarte ist auf Englisch. Um die deutschen Entsprechungen entziffern zu können, muss ich meine Brille aufsetzen. Ich verstehe mich als Weltbürger, aber in Frankfurt bestelle ich "Rührei mit Speck und Bergkäse". Was ich bekomme, sind blonde Brötchen mit Käse- und Schinkenscheiben. Ich überlege, ob ich mich beschweren soll, aber dann sehe ich, dass der Kellner ein Hörgerät trägt. Ich schweige, esse und gebe ein Trinkgeld.

   Unglaublich, was man als Reisender alles erzählen kann. Dabei hatte der Flieger noch nicht einmal abgehoben! Bei der Ankunft in meinem Reiseland dann die Erkenntnis, dass man auch dort auf dem Flughafenklo Wert auf meine Meinung legt.

 

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