Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (25. Juni 2017)
 
Mit dem Stadtbus auf hoher See
 

   Dieser Text ist all jenen gewidmet, die meinen, man müsste unserem schönen Land den Rücken kehren, wenn man was erleben will. Gut, wenn im tropischen All-Inclusive-Paradies nachts die Klimaanlage klappert und tropft, ist das natürlich aufregend. Höchstens eine Autofahrt an Pfingstsamstag über die Alpen zum Gardasee kann das toppen. Aber dennoch muss die Frage erlaubt sein, ob man wirklich den Globus halb umrunden oder auf die Autobahn muss, um Blut und Wasser schwitzen zu können?

   Wir meinen: Nein! Ein Abenteurer von Format, der zudem Wert auf seinen ökologischen Fussabdruck legt, bleibt daheim und fährt S-Bahn. Oder noch besser Schienenersatzverkehr. Der Weg von der Bahn zum Bus ist dürftig ausgeschildert, aber man ist alt genug, um zu wissen, wann es klug und politisch korrekt ist, der Masse zu folgen.



   Der Chauffeur des Busses schaut viel versprechend aus. Er trägt Sonnenbrille, Vollbart und die vorschriftsmässig hingehaltene Fahrkarte interessiert ihn nicht. Der Typ geht als Seebär durch. Oder als Käpt'n einer Fähre am Lago Maggiore.

   Mister Sonnenbrille wirkt cool, hat aber ein grosses Herz, sonst hätte er die lächelnde Asiatin, die mit Stöpseln im Ohr und ohne links und rechts zu blicken über den Bahnhofplatz tippelte, umnieten können. Und er legt, wenn er sich mit dem Gelenkbus durch eine Wohngegend schlängelt, ein Augenmass an den Tag, dass man sich fragt, warum man ihn nie bei "Wetten dass ...?" sah.

   Für Sie ist eine Fahrt mit der Wilden Maus das Höchste der Gefühle? Dann sind Sie noch nie mit einem Schienenersatzverkehrgelenkbus durch einen Kreisverkehr gerauscht. Einen freien Sitzplatz gibt es keinen, aber wer will auf hoher See sitzen? Der Stehplatz auf dem Gelenk zwischen Vorder- und Hinterwagen erscheint der vielversprechendste - und ist der einzig freie. Erschwerend kommt hinzu, dass man sich nur mit einer Hand festhalten kann, weil man in der anderen eine Tüte mit Mohrenköpfe transportiert. Auf dem Platz nebenan zwei junge Frauen. Sie schlafen, vielleicht sind sie auch ohnmächtig. Daneben lehnt ein junger Typ am Gestühl, der trotz des Geschaukels auf seinem Smartphone Monster abschiesst. Deutschland sucht den Super-Daddler! Hier steht er.



   Zwischen den Käffern die Landstrasse. Die Reifen singen ein Lied, wie man es seit Beckenbauers "Gute Freunde kann niemand trennen" nicht mehr vernommen hat. Nach einer Dreiviertelstunde ist die Fahrt zu Ende. Das Hemd ist durchgeschwitzt, Oberkörper und Arme schmerzen, aber dort, wo zuvor noch ein Ranzen war, ist nun ein reinster Waschbrett. Zumindestens fühlt es sich so an.

   Man überlegt, ob der Fahrer nicht wie einst die Piloten von Ferienfliegern nach der Landung Applaus verdient hätte. Aber die anderen steigen einfach nur aus.

 

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