Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (16. Juli 2017)
 
Das Kalifat der Autonomen
 

   Anfang der Woche ging ein Aufatmen durch das Land. Wohlstand, Freiheit und die ganze bürgerliche Lebenskultur erhoben sich aus Trümmern und schüttelten den Staub von den Doppelgaragen und Zierhecken. Zuvor hatte nach heftigen Kämpfen eine Polizei- und Militärallianz die dreitägige Terrorherrschaft der Autonomen in Hamburg beendet.



   Das Kalifat des Linksterrorismus sei nunmehr eine Momentaufnahme der Geschichte, triumphierte der Bürgermeister bei einem aus Sicherheitsgründen nicht angemeldeten Besuch in der Kampfzone. Er sei überzeugt, dass die Bewohner die erbitterten Kämpfe gar nicht bemerkt hätten, wären sie nicht zufällig für einen Aperol Spritz auf dem Balkon herumgestanden. Die Bevölkerung rund um das Schanzenviertel, die anfangs die Milizen des Linksradikalismus auf ihren Toyota-Geländewagen begeistert begrüsst hatte, bejubelte jetzt die anrückenden Polizeiverbände und stopfte alle schwarzen T-Shirts rasch in die Restmülltonne. Unverträglich sei die Herrschaft der Autonomen gewesen, berichteten Anwohner. Die neuen Herrscher hätten sich geweigert, im Supermarkt Schlange zu stehen, hätten Zivilisten aus den Häusern gezerrt und gezwungen, Solidaritätsbier mit ihnen zu trinken. Schulkinder mussten schwarze Masken tragen und die 93 Thesen des Kapitalismus auswendig lernen.

   Nachdem die letzten Widerstandsnester geräumt wurden, stellte sich allerdings die Frage, ob Hamburg wieder aufgebaut werden soll. Natürlich sei die Hansestadt ein recht angenehmer Ort gewesen, hiess es, anderenseits aber auch ein wenig aus der Form geraten. Die Innenstadt genüge in keiner Weise den Anforderungen moderner Stadtplanung, den Brandschutz habe man jahrelang vernachlässigt. Pläne eines internationalen Architektenteams schlagen deshalb eine Mischbebauung mit gehobenen Hotels, grosszügigen Stadtvillen und veganen Kitas rund um die Elbphilharmonie vor. Die Kosten lägen im niedrigen Milliardenbereich - damit wäre der Neubau deutlich billiger als ein Erhalt der erhalten gebliebenen Stadtreste oder gar eine Restaurierung nach dem Vorbild des Berliner Stadtschlosses.



   Das neue Hamburg werde leicht zu reinigen sein und besser als der bauliche Wildwuchs der alten Hansestadt gegen Angriffe politischer Extremisten verteidigt werden können. Damit sei New Hamburg prädestiniert für Grossereignisse wie die Olympischen Spiele, das Jahrestreffen der deutschen Versicherungs-Aussendienstler, die Meisterfeier des FC Bayern München oder die gemeinsamen Abitur-Ausschreitungen aller weiterführenden Schulen des Bundesgebiets. Nach Meinung von Experten können in solche Veranstaltungen auch die Reste der linksradikalen Szene eingebunden werden, ohne dass es auffällt.

 

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