Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (06. August 2017)
 
Bitte warten!
 

   Den kennen Sie bestimmt: Warum gab es in der DDR so wenig Banküberfälle? Na, weil die Räuber 20 Jahre auf ihren Fluchtwagen warten mussten. Zugegeben, dieser Witz über die ehemals lausige Produktivität ostdeutscher Autobauer ist ungefähr so lustig wie das Ergebnis des jüngsten Diesel-Gipfels der Unverschämtheit.

   Doch ist der Kalauer eine gute Gelegenheit, einmal kurz (oder ganz lang) innezuhalten und sich der philosophischen Frage nach dem Wesen des Nichts-Handeln zu widmen. Nichts-Handeln ist nämlich etwas gänzlich anderes als Faulenzen. Nicht-Handeln ist strategisches Warten.



   Studieren konnte man dieses aktive, internationale Nichtstun auch bei diversen Testspielen des FC Bayern München oder in den Vorstandssitzungen der deutschen Autoindustrie. Nur wer die Kunst des Aussitzens, des Merkelns, beherrscht, wer wie Robinson Crusoe oder ein Beamter des Kraftfahrbundesamtes auf Freitag warten kann, weiss, was wirklich glücklich und frei macht.

   Man verharrt mit voller Absicht irgendwo zwischen hier und dort, zwischen gestern und morgen, zwischen Jules und Jim. Man wartet so lange, bis der Schwebezustand der Zeitlosigkeit eintritt, welcher durch völlige Selbsterkenntnis und Gegenwärtigkeit und das Loslassen von Wünschen und Zukunftsvorstellungen gekennzeichnet ist. Plötzlich lächelt man debil wie nach einer Fummelfolge "Sommerhaus der Stars" auf RTL und kann "Hasan Salihamidzic" fehlerfrei aussprechen.

   Es heisst, Martin Schulz befinde sich seit der letzten Sonntagsumfrage zur Bundestagswahl auf so einem rauschhaften Psycho-Trip mit all den Nebenwirkungen. Dazu zählen verstärkter Bartwuchs, farbenintensive Koalitionshalluzinationen sowie eine gefährliche Links-links-Schizophrenie. Wer nicht so duldsam ist wie der SPD-Kanzlerkandidat, kann sich zum Frühstück aber auch ein Bio-Ei aus Holland aufklopfen. Das Zeug haut genauso rein.



   "Das ganze Unglück der Menschens rührt allein daher, dass sie nicht still in einem Zimmer bleiben können", murrte einst der französische Mathematiker und Denker Blaise Pascal, als er wahrscheinlich mal wieder mit seiner Kutsche in einem Stau auf der A5 zwischen Freiburg und Karlsruhe geraten war. So wie dem Philosophen ergeht es auch zig Millionen Deutschen auf dem Weg in den Süden. Sie alle warten in diesen schwül-verrussten Tagen vor einer Dauerbaustelle auf einer deutschen Autobahn nicht auf die Weiterfahrt, sondern auf die Erleuchtung. Auf den nächsten Hagelschauer. Auf die nächste Steckdose fürs saftlose Elektroauto. Auf das nächste Softwareupdate für den wertlosen Standdiesel. Man wartet und merkelt. Und alles wird gut.

 

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