Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (29. Oktober 2017)
 
Die Null muss stehen
 

   Was war die bedeutendste Erfindung der Menschheit? Das Feuer? Das Internet? Der Kaugummi mit Döner-Geschmack? Jupp Heynckes? Nein, es ist und bleibt die Erfindung der Null. Frühere Hochkulturen ahnten nichts von vom wahren Potenzial der Null, auch weil sie sich insgeheim vor dem grossen, tiefen, schmal eingefassten Nichts fürchteten. Im christlichen Mittelalter wurde die Null als gottlos verdammt, man erkannte in ihr das Zeichen des Teufels, das Guckloch ins Herz von Harvey Weinstein.



   Jahrhundertelang war die abendländische Zivilisation auf die römischen Spaghetti-Ziffern angewiesen, mit denen man weder richtig addieren noch multiplizieren und höchstens eine Pfanne voll leckerer Pasta zubereiten konnte. Das Ergebnis sind ständige Flatulenzen, Mario Draghi, eine lahme italienische Wirtschaft und Autonomiebestrebungen im Norden, der mit den korrupten Nullen im Süden nichts mehr zu tun haben will.

   Vielen gilt der Mathematiker Brahmagupta als Entdecker der Null. Der Legende nach sei der indische Gelehrte im Jahre 628 nach einer extrascharfen Portion Chicken Vindaloo auf der Suche nach einer öffentlichen Bedürfnisanstalt ("00") gewesen. Beim Anblick der Klobrille habe er die Idee gehabt, erstens nie mehr etwas auf Lieferando zu bestellen, und zweitens die Null nicht mehr nur als Symbol zu betrachten, sondern als abstrakte Einheit, als Ziffer.

   In langwierigen Sitzungen sei daraufhin das "Brahmasputasiddhanta" entstanden, der früheste bekannte Text, in dem die Null als geschriebene Zahl den Inhalt bestimmt. Der Binärcode zum Verständnis des komplizierten Textes diente nun auch zur Bestuhlung des neuen Bundestages. Wissenschaftshistoriker vergleichen das Brahmasputasiddhanta hinsichtlich der Häufung von Leerstellen mit dem enigmatischen Muster auf Alexander Gaulands Krawatte, aber auch mit der Zeitschrift von Daniela Katzenberger, einer echten Nullnummer.



   Erst mit der Erfindung der indischen Null konnte endlich vieles hübschgerechnet und die Nullblicker auseinanderdividiert werden. Die Reichen wurden noch reicher, von nix kam nix, und die Nullzinspolitik frass die Renten wie ein rülpsendes Schwarzes Loch.

   Der grösste Bewunderer dieser Philosophie des ovalen Nichts bleibt aber Wolfgang Schäuble, der frisch gewählte Bundestagspräsident. Die Heilslehre des charismatischen Finanzgurus? Die ekstatische Anbetung der Schwarzen Null, einer Art verrusster Madonna der Union. Selbst die Grünen, die ansonsten die Schwarze Null aufgrund ihrer diskriminierenden, offen menschenverachtenden Begrifflichkeit ablehnten, sind nun bei einer ergreifenden Sondierungsprozession erschöpft, aber beseelt auf die Knie gegangen. Oooomm. Die Null wird stehen bleiben. Koste sie, was sie wolle. Oooomm.

 

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