Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (12. November 2017)
 
Das Lächeln der Manuela Mäusetaler
 

   Interviewtermin mit einer jungen, recht bekannten Frau, nennen wir sie Manuela Mäusetaler. Frau Mäusetaler soll in einer Buchhandlung einen Krimi signieren, den sie garnicht selbst geschrieben hat. Böse Zungen, also Leute wie jener Medienkritiker, der Mäusetaler bescheinigte, dass sie "keinerlei Fähigkeit" besitzte, würden wohl behaupten, dass das das Beste ist, was dem Buch passieren konnte, dass Mäusetaler es nicht geschrieben hat. Immerhin inspirierte sie die Autorin des Krimis zu der Hauptfigur, deshalb ziert sie nun auch das Cover. Medienkritiker taugen als Musen nur bedingt.



   Manuela Mäusetaler hat sich als Model und Reality-Show-Darstellerin einen Namen gemacht. Ihr Spezialgebiet besteht darin, mithilfe der von Beratern eine Art Privatleben öffentlich zu inszenieren. Mit ihrer Popularität verhält es sich wie mit dem Bekanntheitsgrad von Schlagern. Auch wenn man sich nicht für sie interessiert, man kommt nicht daran vorbei. Jeder scheint über Manuela Mäusetaler mehr zu wissen als der Interviewer. Also schaut er sich Videos auf Youtube an, sieht, wie Mäusetaler sympathisch-naiv, aber keinesfalls dümmlich durch St. Moritz streift. Er zeiht sich den Trailer eines TV-Krimis rein, den ein öffentlich-rechtlicher Fernsehsender aus dem Südwesten mit Mäusetaler in der Hauptrolle produzierte. Noch bervor der Film ausgestrahlt wurde, wird in den asozialen Medien Gebührenverschwendung angeprangert. Ein Schauspieler jammert, dass er keine Rollen bekomme, aber die Mäusetaler schon, die nichts gelernt habe.

   Das stimmt so nicht. Zum einen ist sie staatlich anerkannte Kosmetikerin. Zum anderen besitzt sie das, wovon mancher Mime gern mehr hätte: Ausstrahlung vor der Kamera. Der TV-Krimi bekommt in den Feuilletons ordentliche Noten, besonders Mäusetalers Auftritt wird gelobt. Da auch die Quote in Ordnung war, fragt man sich, warum der Sender den Krimi nicht fortgesetzt hat. Das macht künftig womöglich ein Privatkanal. Der Verdacht drängt sich auf, dass der Krimi, den Mäusetaler signiert und der ihr auf den Leib geschrieben wurde, als Testballon dient.



   Am Tag des Gespräches rückt der Interviewer mit einem Packen Fragen an (acuh zwei hintergründigen), vergisst sie aber sofort wieder, als er die Menschenschlange vor der Buchhandlung sieht. Von einem kurzen Vorgespräch vor dem Auftritt bleibt hängen, das TV-erprobte Lächeln wirkt auch im wahren Leben.

   Ein bisschen Remmidemmi vor der Autogrammstunde. Wie geht's? Wie steht's? Dann läuft die Medienmaschine mit grosser Freundlichkeit und Präzision ab. Nur wer ein Buch kauft, bekommt auch ein Autogramm, ein Selfie, ein paar warme Worte. Der Interviewer schleicht sich. Als er nach zwei Stunden noch mal vorbei schaut, gibt Manuela Mäusetaler immer noch Autogramme. Ihr Lächeln hat nichts an Strahlkraft verloren.

 

Zurück