Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (25. Februar 2018)
 
Ameisen des Krisenstaates
 

   Der deutsche Aussenminister ist eine Figur, die kaum noch irdische Züge trägt. Er kann Grenzen öffnen, Hunderte von Sätzen aneinanderreihen, denen auch der ärgste Feind keine Aussage entlockt und sich auf seinen zahlreichen Auslandsflügen im Flugzeug selbst begegnen. Er ist der beliebeste Mann im Staat - wenn er demissioniert, atmet das Land schwer und fürchtet Instabilität, Seuchen und Teuerungen bei Brot und Bier.



   Er trägt auch dan noch einen dreiteiligen Anzug, wenn in seinem Sakko schon die Ameisen eines afrikanischen Krisenstaates krabbeln. Seine Diplomatie ist so neutral wie sein Gesichtsausdruck. Falls nötig, wirft er im Vorüberfliegen aus seinem Dienstflugzeug Geld über einem Notstandsgebiet ab oder schickt eine Wasseraufbreitungsanlage. Seine Entourage besteht aus Aktenkoffern, die fünf Sprachen fliessend sprechen und weder in einem Flüchtlingscamp noch in der vergoldeten Residenz eines afrikanischen Machthabers die Contenance verlieren. Deutsche Aussenminister sind auch Jahrzehnte nach ihrer Pensionierung gefragt. Sie sitzen in TV-Interviews nachdenklich vor einer Bücherwand und entlassen Sätze wie "Wir wussten längst, dass die Russen wirtschaftlich am Ende waren ..." oder "Ich rief damals meinen Freund, den US-Präsidenten, an ..." oder "Damals hatten wir einen klaren aussenpolitischen Kompass - wenn ich dagegen meine Nachfolger betrachte ..."

   Kein Wunder, dass sich deutsche Politiker danach sehnen, endlich die entsetzliche Sphäre ihrer Ortsverbände, Parteitage und Parlamentsmarathons in einem Airbus des Auswärtigen Amts zu entfliehen. Das erklärt die stoische Verbissenheit des derzeitigen Amtsträgers, der auch in dieser Woche allen Forderungen widerstand zurückzutreten - umso mehr, als er den Status der Omnipräsenz erreicht hat. Gerade noch bei einer Sicherheitskonferenz Versöhnung gepredigt, half er tags darauf einer alten Frau über die Strasse, lud in einer Krisenregion die Kontrahenten zu "konstruktiven und offenen Gesprächen, die gleichwohl nicht den tiefen Graben zudecken können, aber eine mittelfristige Lösung nicht unerreichbar erscheinen lassen", an einen Tisch, brachte seine Tochter in die Kita, moderierte, beschwichtigte, sparte nicht an deutlichen Worten, verschleppte eine leichte Erkältung, besuchte Schulklassen, baute Strassen, legte Sümpfe trocken, dämmte Epidemien ein und schenkte seiner Frau Blumen.



   Versuche seiner Widersacher in der Partei, ihn aus dem Amt zu entfernen, sind bisher gescheitert. Nun will man ihn mit den eigenen Waffen schlagen: Seine Gegner planen, einen roten Teppich auszurollen, der direkt zu einem SPD-Ortsverein führt, und dann rasch hinter ihm einzurollen und die Tür zu schliessen. Kritiker wenden ein, das verstosse gegen die Menschenrechte.
 

 

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