Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (04. März 2018)
 
Siri bringt mich nach Hollywood
 

   Ob ich für ein kurzes Video zur Verfügung stünde, fragte eine Kollegin. Selbstverständlich stünde ich, das tue ich schon deshalb, weil die Kollegin auch sagt, dass das Video im Netz veröffentlicht werden soll. Ich bin zwar kein Internetexperte und im festen Glauben an die Allmacht des öffentlich-rechtlichen Fernsehen aufgewachsen, aber so viel habe ich begriffen: Was im Netz steht, kann man auf der ganzen Welt sehen, also auch in Bollywood und Hollywood.



   Nichts gegen die indische Küche, aber mich zieht es mehr nach Amerika. Habe gelesen, dass den Studios seit diesem "Mee-too"-Geschichten so langsam die männlichen Hauptdarsteller ausgehen. Wenn mich mein Erinnerungsvermögen nicht trügt, habe ich mir gegenüber Frauen noch nie etwas zuschulden kommen lassen, sieht man von ein paar Zoten im Kreise von Geschlechtsgenossen ab. Aber was kann ich dafür, dass ich damals einen sitzen hatte? Ausserdem ist es mit sogenannten frauenfeindlichen Witzen so eine Sache. Im Grunde zeigen die doch nur, wie wir Kerle ticken. Selbstentlarvung ist der erste Schritt zur Besserung.

   Auch dass sich meine schwäbische Herkunft kaum verleugnen lässt, sobald ich das Maul aufmache, spricht nicht zwangsläufig gegen ein spätes Comingout als Hollywood-Star. Arni aus der Steiermark haben die Amis auch mit Handkuss genommen.

   Doch nun zum Video-Dreh. Ich sollte in ein Smartphone sprechen und Siri, der redegewandten Apple-Software, eine Frage stellen, die mich gerade umtreibt. Da ich mir morgens beim Brötchen schmieren in den Finger geschnitten hatte, musste ich nicht lang überlegen. "Siri, werde ich das überleben?" Siri wollte wissen, ob sie mich richtig verstanden habe und ich ein Bestatungsinstitut suche. Mein Lachen schien sie zu verwirren. Sie bestrafte mich mit Schweigen. Ich hasse das bei Frauen.

   Sie schwieg auch, als ich meine Brötchenschmierschilderung und die Frage nach der Überlebenschance auf Wunsch der Kamerafrau wiederholte. Aber immerhin erschien auf dem Display des Smartphones die Adressen von drei Lokalitäten, in denen man frühstücken kann. Ich vermute, es handelt sich um Läden, in denen sie einem die Brötchen belegt servieren.



   Die Kamerafrau schien mein Talent zu erkennen. Sie liess mich die Szene mehre Male wiederholen. Ich vermute, sie wollte alles aus mir herausholen. Siri verlor aber die Lust. Sie sagte nur noch "Ich habe dich nicht richtig verstanden." Unsere Beziehung war nach wenigen Minuten auf einem Stand angekommen, für den andere Paare Jahrzehnte brauchen.

   Habe ich eigentlich schon den Vornamen der Kamerafrau erwähnt? Sie heisst auch Siri. Das ist praktisch, muss ich mir für meine Dankesrede zur Oscar-Verleihung nur einen Namen merken.
 

 

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