Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (18. März 2018)
 
In der Keimbahn der Macht
 

   Kein Land begegnet dem Frühling so entschlossen und effizient wie Deutschland. In den Eisdielen erwachten diese Woche die letzten Kühlkompressoren rumpelnd aus dem Winterschlaf, man polierte die venezianischen Modell-Gondeln und füllte die schwimmbadgrossen Wannen mit dem Eis des Jahres (Zartbitter-Brokkoli-Melone mit Streuseln vom abgehangenen Serrano-Schinken). Die Hobbygärtner riefen jeden Grashalm mit seinem Spitznamen, kniffen dem Schneeglöckchen schelmisch in den Blütenkelch und zwangen die schlaftrunkenen Tulpen dazu, ein kleines Frühjahrsballett vor der Doppelgarage zu tanzen.



   In Berlin formte Merkel bei ihrer Vereidigung noch einmal ihre schönste Raute, woraufhin die Schachtelhalme des Kabinetts zu keimen begannen. Der neue Heimatsminister zog einen Jägerzaun um sein Reich, in dessen Grenzen die Sonne des christlichen Abendlandes nie untergeht. Dort müssen sich orientalische Einwanderer registrieren lassen und werden bei etwaiger Vermischung mit heimischen Traditionsgewächsen zurückgeschnitten oder per Fleurop in ihre Heimat zurückgeschickt, wo sie höchstens mit Tränen gegossen werden. Auch die restlichen Schattengewächse des Kabinetts der grossen Koalition hatten die Winterkälte, die Verhandlungen im Neonlicht, die Twitterkaskaden und Intrigen zwar bleich, aber meist unbeschadet überstanden. Der Kunstdünger der Macht liess jetzt neues Leben in ihre Keimbahnen fliessen.

   Der neue Finanzminister, ein krautiger Farn, presste zwischen seinen schrundigen Blättern etwas wie ein Lächeln hervor und drohte jedem, der Geld fordert, die langen Finger mit der Gartenschere abzuschneiden. Die Landwirtschaftsministerin, eine Kreuzung zwischen umarmender Sonnenblume und pfälzischer Weinrebe, liess die Wangen des Landes wie Pfirsische leuchten. An ihrer pastellfarbenen Volksnähe zerschellten die Tannenzapfen der politischen Populisten und entliessen nur einen mürben Geruch nach Nieswurz und Kohl, der manchen an das Dritte Erdreich erinnerte.



   Experten glauben, dass die Frühlingseuphorie nur kurz halten wird. Danach werde der Heimatsminister missmutig seinen Garten umgraben, wo sich bayrischer Intrigen-Schierling breitmacht. Der Finanzminister werde so lange mit dem Rasenkantenschneider traktiert werden, bis er aus der grossen sozialrosa gefärbten Giesskanne das süsse Gift des  Subventionsdüngers ausgiessen wird. Windkraftanlagen werden emporschiessen, Breitbandkabel die Trockenmauern hochkriechen und Schulklassen sich in Zierbeete der humanistischen Bildung und digitalen Kompetenz verwandeln. Das ohnehin schon gut genährte Land wird dann platzen und muss in der Grünguttonne entsorgt werden. Aber im nächsten politischen Frühling beginnt der ewige Kreislauf der Natur wieder von vorn.
 

 

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