Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (22. April 2018)
 
Ballett der Bösartigkeit
 

   Dieses Licht! Gleissend sägt es sich in die Gesichter der Menschen, enthüllt wintergebleichte Haut, Unförmigkeit, falsches Lächeln und autoritäre Gesinnungen. Frühsommerliche Hitze treibt ihr tolles Spiel mit dem Kreislauf der Menschen, die wie Weidenbäume schwankend durch die Strassen irrlichternd. Immerhin, man könnte sich ein Pistazieneis mit Sahne kaufen und dann damit auf die bald kürzeren Tage warten.



   Wenn da nur nicht dieser verdammte Staub wäre. Schwebestaub, Feinstaub, Grobstaub, Küchenstaub, Strassenstaub, Kinderzimmerstaub, Datenstaub. Im perfiden Zusammenspiel mit der morgendlich schräg in die Wohnungen grinsenden Sonne tanzt dieser allgegenwärtige Wohlstandsstaub ein Ballet der Bösartigkeit und des schlechten Gewissens - eine Choreografie jenseits aller hygienischen Grenzen. Aktuellen Studien zufolge verschluckt der Mensch, wenn er im Schlaf von einem neuen Auto, einem vollen Konto oder der Nachbarin träumt, mit jedem Atenzug ein halbes Pfund Hausstaub - eventuell angereichert mit einigen Hautflüglern. Trotz dieser Staubinhalation bleiben noch genügend Wolken von Schwebeteilchen übrig, in denen Partner, Steuererklärungen und gute Absichten verschwinden.

   Doch woher kommen diese enormen Staubwolken? Wo waren sie während der kalten Jahreszeit? Wer hat sie geschickt und warum? Fragen, die die Menscheit seit Jahrtausenden umtreibt. Dabei ist das Phänomen Staub wissenschaftlich längst ergiebigst ausgeforscht. Staub besteht aus organischem und anorganischem Material - also aus allem. Da es von allem immer mehr gibt, wachsen auch die Staubwolken. Wer alle zwei Jahre ein neues Smartphone kauft, das alte rasch vergisst oder einen Joghurtbecher längere Zeit neben dem Fernseher stehen lässt, erlebt die Erosion anorganischer oder laktosefreier Substanz. Durch die anschliessende Aufwirbelung beim Herumräumen tritt der mikrofeine Schmutz in unseren Alltag. Beide Prozesse sind derzeit dominant. Es erodieren der gute Geist, der Anstand und die Rücksichtnahme, während umgekehrt jede zertretene Mücke zu einem gesellschaftsbedrohenden Elefanten aufgewirbelt wird.



   Leider sind alle Versuche gescheitert, Staub wieder zu etwas Sinnvollerem zurückzuformen - zu einem leckeren Essen etwa oder einer vollgültigen Kreditkarte. Wir müssen lernen, mit dem Staub zu leben, ihn zu akzeptieren, ja, ihn als mahnendes Symbol der Vergänglichkeit in unserer von Hektik, Lust  und Geltungsdrang getriebenes Dasein aufzunehmen. Umso mehr, als neueste Studien vermuten, dass es sich bei den Staubpartikeln um die Seelen von Verstorbenen handelt, die aus Langeweile aufwirbeln und allen auf der Nase herumzutanzen. Experten raten, ab mit ihnen in den Staubbeutel! Danach kann man eine Zigarette rauchen und den Qualmpartikeln im Gegenlicht hinterhersehen.
 

 

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