Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (13. Mai 2018)
 
Kein bisschen Frieden
 

   Gott sei Dank, nur noch wenige Stunden, dann startet der Eurovison Song Contest, das wichtigste europäische Grossereignis seit dem letzten Liebesjauchzer von Meghan Markle und dem sagenumwobenen Sängerstreit auf der Wartburg im 13. Jahrhundert. Die Nerven und Stimmbänder sind zum Zerreissen gespannt.



   Zwar konnten im Unterschied zu den "yeah" und "uuuh" quieckenden Blödelbarden von heute die einstigen Minnesänger ganze Sätze bilden, die voller Poesie waren und die Zuhörer zu Kullertränen rührten. Ansonsten bleibt in Lissabon alles unverändert und erinnert eher an einen Mittelaltermarkt in Altmittweida.

   Die verstimmten Klampfen werden wie Hellebarden geschwungen. Das gezeigte Jungmenschenfleisch ist zu stark gepfeffert. Die flaumbärtigen Krähhacken orientierten sich stilistisch an Walther von der Vogelweide und am grünen Betteltroubadour Anton Hofreiter. Sie wirken nur bedingt geschlechtsreif, tragen dafür güldne Locken und Leggins. Und die holden Maiden mit ihren helmartigen Haarknödeln? Glotzen kuhäugig aus ihrer byzantinischen Reizwäsche. Am Ende des Tages stehen noch öffentliche Hinrichtungen samt Dudelsackbegleitung an. Zero Points, null Silberlinge und Kopf ab für Deutschland.

   Und wie anno dunnemals wird der Musikwettbewerb zweckentfremdet. Schon der grosse Heavy-Metal-Theoretiker Carl von Clausewitz vertrat die These "Der ESC ist eine blosse Fortsetzung des Kalten Krieges mit anderen Mitteln". Wohl war, möchte man zustimmend mitwippen, wenn man sich die Ostblockkapellen genau anschaut. Sie halten zusammen wie besoffene Donkosakenchöre. Ihre Liebestexte bestehen aus Fake News, den schönsten Verteidigungsreden von Wladimir Putin sowie aus der Bedienungsanleitung für die neue kyrillische Mittelstreckenrakete. Songwriter ist ein Hofnarr namens Gerhard Schröder, der Dieter Bohlen der Krim. Westliche Geheimdienste schlagen Alarm. Der Beitrag der russischen Sängerin könnte eine als Superpowerballade getarnte Cyberattacke auf den Bundestag sein. Die Deutsche Bahn warnt vorsorglich vor Zugunfällen, die Post vor frühzeitigen Entfristungen ihrer Mitarbeiter.



   Die Regierung macht derweil ihr Jodeldiplom auf der Zugspitze, plant einen Wertekunde-Unterricht für Xavier Naidoo, Kollegah, Farif Bang sowie Millionen anderer rappender Antisemisten, Frauenhasser, Hassprediger und Reichsbürger in diesem Land, um dann beim ESC im Jahr 2118 einen Sieg zu holen.

   Letzte deutsche Hoffnung in Lissabon bleibt der seit Tagen vermisste Martin Schulz. Angeblich soll er sich als aserbaidschanischer Derwisch und Backroundsänger verkleidet haben. Zu erkennen ist er an seiner hohen Kastratenstimme, die einem pfeifenden Partikelfilter nicht unähnlich ist.
 

 

Zurück