Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (20. Mai 2018)
 
Hannah Arendt auf dem Einhorn
 

   Ehrerbietung, Herzlichkeit und Harmonie waren die Leitgestirne, die diese Woche sanft leuchtend über dem Land standen. Grundiert wurde ihr stilles Tun vom beruhigendem Rumpeln der Tunnelbohrmaschinen, die sich wie in den vergangenen Jahren tief unter dem Bastelkeller des Normalbürgers durch den Untergrund bissen. Sie bohren Tag und Nacht, von Ost nach West und von rechts oben nach links unten. Fast täglich kommt es zu Tunneldurchbrüchen, bei denen sich längst verschollen geglaubte Regionalpolitiker und Prominente weinend in den Armen liegen.



   Diese Woche erreichte das Zusammenspiel von Technik und Weisheit einen Höhepunkt. Pünktlich zum 70. Geburtstag des sogenannten Landesvaters wurde der grösste Krötentunnel der Geschichte eingeweiht - Amphibien aus aller Welt sollen darin das Land unterqueren, Familien gründen und die Altersruhe geniessen, ohne von gedemütigten Diesel-Fahrern in einen undefinierbaren Klumpen Biomasse verwandelt zu werden.

   Die amphibische Transversale ist ein Herzensprojekt des weisshaarigen Patriarchen im Stuttgarter Staatsministerium. Als sich der Bohrstaub legte, sah man einen glücklichen Menschen, der seinen Geburtstag als lichtes Spiel aus nachhaltigem Small Talk, klimaneutralem Alkoholkonsum und Fahrrad-Festreden inszenieren liess. Teilnehmer berichteten, dass sich im Garten der Machtzentrale Bioziege und Hohenloher Wanderschäfer Guten Tag und Gute Nacht sagten und mancher Gast schmunzelte, als der Jubilar erzählte, ihm sei im Traum Hannah Arendt begegnet, die auf einem vor dem Aussterben bewahrten Einhorn sass. Dann ging er wieder an die Arbeit, die Bohrer rumpelten, Eidechsen, Hühner und Spitzenbeamte verkrochen sich wieder in ihr natürliches Habitat.



   Doch wer lange genug bohrt, befindet sich unversehens im dunklen Gedächtnis der Nation. Nachdem auch die Diesel-Ermittler Tunnelbohrmaschinen einsetzen, sind sie bis ins geheime Archiv der deutschen Autoindustrie vorgedrungen. Dort stiess man diese Woche auf die Diesel-Tagesbücher von Martin Winterkorn. Die Einträge belegen, dass der Konzern bis zuletzt glaubte, den Krieg gegen die Umwelt noch zu gewinnen. "Sonntag: Habe gerade den Zehnzylinder Kompressor von Horch Probe gefahren. Sonnenfinsternis durch Dieselruss. Aber Bomben-Beschleunigung! Montag: Zwei Staatsanwälte, die auf unser Werksgelände wollten - abgeschossen. Mittwoch: Lackunregelmässigkeiten bei einem 1-Euro-Diesel. Bin von Verrätern umgeben. Habe einige von ihnen an die TU Aachen überstellt. Wo sie sich beim Abgas-Inhalieren berwähren müssen. Lage ernst - Umwelthilfe kontrolliert fast ganz Deutschland. Wenn Daimler keine Ersatzarmee schickt - ..." Demnächst mehr.
 

 

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