Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (27. Mai 2018)
 
Fronkreisch, Fronkreisch
 

   Bonjour, und entschuldigen Sie meine legere Kleidung. Aber Sie wissen ja, Urlaub. Da lässt man's gerne locker angehen. Gerade im Ausland, wo einen kein Mensch kennt. In der Redaktion sitze ich stets im Zweireiher an meinem Rechner, am Wochenende auch mal im Smoking. Nicht der Kollegen wegen werfe ich mich in Schale. Sie sind der Grund. Ich bin davon überzeugt, dass man aus Texten herauslesen kann, ob der Autor ordentlich gekleidet war. Tom Wolfe schrieb im weissen Dandy-Anzug in seiner New Yorker Wohnung: Seine Eleganz sprach aus jedem seiner Sätze.



   Aber in den Ferien muss man eine Ausnahme machen dürfen. Ausserdem, woher weiss ich, wie Sie gerade da sitzen? Womöglich sind Sie ebenfalls im Urlaub oder laufen wie weiland Udo Jürgens im weissen Bademantel durch die Gegend.

   Kurze Hosen sind ja an sich nichts Schlimmes, solange man die Beine dazu besitzt. Mein in Stilfragen kompetenter Kollege Tomo hat unlängst in einer seiner wunderbaren Kolumnen beschrieben, wie ihm ein paar Mädels nachgepfiffen hatten. Muss zugeben, ich habe dieses mit Neid zur Kenntnis genommen. So was ist mir seit Jahrzehnten nicht mehr passiert, egal, ob ich in kurzen Hosen oder gar einen Anzug trug. Ich wundere mich nur, dass man in unserer auf Wellness und Service bedachten Welt keine weiblichen Claqueure mieten kann. Sie verstehen, wie Klageweiber, nur jünger und positiv. Also ich würde mir das was kosten lassen. Neulich auf dem Rad, als ich zwei jungen Burschen ausgewichen bin, hörte ich, wie der eine zum anderen sagte: "Hey, guckst du, Rennrad!" Eigentlich nett, wenn man davon absieht, dass sie über den Fahrer kein Wort verloren, diese kleinen Stinker.

   Ich melde mich übrigens gerade live aus Südfrankreich. Wie, was, live geht nicht in der Zeitung? Natürlich geht das, Papier ist geduldig. Im Grunde ist es auch wurscht, ob ich Ihnen live oder zeitversetzt schreibe, ich komme seit Jahren hierher - und der Erholungswert besteht darin, dass sich so gut wie nichts ändert. Mal bläst der Mistral, mal nicht. Aber sonst. Im Rhone-Tal rotieren die Windräder und strahlen die Reaktoren in der Sonne vor sich hin. Alles wie gehabt.



   Ist eine tolle Gegend hier, gerade für Leute, die sich gerne auf zwei Rädern bewegen. Im vergangenen Jahr, oder war es erst gestern, radelte ich bei 37 Grad durch das Ardèche-Tal. Traumhafte Aussicht, erstklassiger Asphalt, immer auf und runter. Ich muss auf meinem Fahrrad eine erbärmliche Figur abgegeben haben, sogar Motorradfahrer haben mich gegrüsst.

   Ich liebe das Land und die Leute. Mais qui, leider beschränkt sich meine Kommunikation aufs Bestellen von Croissants und Rotwein. Frage mich Jahr für Jahr, wie ernst die Franzosen es mit Europa meinen, wenn Sie immer noch nicht die Sprache ihrer Feriengäste sprechen.
 

 

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