Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (01. Juli 2018)
 
Papa, gewinnen wir das noch?
 

   Der Fussball-Weltmeisterschaft verdanke ich die Erkenntnis, dass meine 17-jährige Tochter mich offenbar für ein höheres Wesen hält. Ein Wesen, das in Kontakt mit dem Fussballgott steht.

   Das könnte daran liegen, dass ich vor dem Fernseher fast jeden Spieler, den ich gut finde, zum Fussballgott erkläre. Wenn Marco Reus eingewechselt wird, rufe ich zum Beispiel "Marco Reus, Fussballgott!".



   Da hat sich meine Tochter wohl gedacht, dass ein Mann, der so viele Fussballgötter kennt, der muss auch wissen, wie ein Fussballspiel ausgeht. Und so hat sie mir, als wir gegen Schweden zur Pause 0:1 zurücklagen, eine wunderschöne Whatsapp-Nachricht geschickt mit der Frage "Verlieren wir, Papa?" Süss!

   Man muss dazu wissen, dass sich meine Tochter nur alle vier Jahre für Fussball interessiert - wenn eben WM ist. Dann schminkt sie sich die Deutschlandfarben auf das Gesicht, zieht ein Nationaltrikot an und geht zu irgendwelchen Freunden, um dort das Spiel gemeinsam anzugucken. Ich glaube, es geht ihr vor allen um das Gemeinschaftserlebnis. Das ist auch so eine Sache, die unsere blasierten Nationalspieler nicht bedacht haben. Ihr Ausscheiden schon in der Vorrunde hat nicht nur in der Bierbranche und bei Gastronomen für Frust gesorgt, sondern eben auch bei jungen Leuten wie meiner Tochter. Die war über das Ausscheiden viel enttäuschter als ich. Ich kann mich beispielsweise auch für Mannschaften aus Afrika begeistern und habe noch Zeiten erlebt, in denen die deutsche Mannschaft noch ähnlich schlecht und erfolglos gekickt hat wie jetzt. Meine Tochter eben nicht.

   Diese jungen Leute, die bislang nur die WM 2014 bewusst erlebt haben, konnten sich garnicht vorstellen, dass Deutschland auch mal ein entscheidendes Fussballspiel verlieren kann. Im Spiel gegen Südkorea allerdings beschlichen meine Tochter offenbar dann doch noch ernste Zweifel. Etwa 10 Minuten vor Ende der regulären Spielzeit schrieb sie mir "Papa, gewinnen wir das noch?" Süss!



   Im Nachhinein hätte meine Tochter besser den Dackel "Seppi" gefragt, der schon Tage vor dem Spiel den Sieg von Südkorea prophezeite. Das behauptet zumindestens sein Herrchen, ein gewisser Josef Küblbeck vom Deutschen Dackelmuseum in Passau. Seppi ist ein Tierorakel, das in Sachen Fussball das Gras wachsen hört. Und der gerade deswegen alles andere als ein Grasdackel ist. Angeblich hatte er auch unseren Sieg gegen Schweden korrekt vorhergesagt.

   Was mich betrifft, so schaue ich während eines Deutschlandspiels nicht auf mein Handy. Die Fragen meiner Tochter habe ich daher erst nach Spielende gesehen. Dies hat den Vorteil, dass ich keine falschen Antworten geben konnte und so weiterhin als höheres Wesen durchgehe.
 

 

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