Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (18. November 2018)
 
Wenn ich bin, dann werde ich!
 

   Menschen, die ihre Sätze nicht beenden, werden oft komisch angeschaut. Aber sind sie wirklich? Oder haben sie vielleicht bloss? Die Antwort gibt es hier in diesen Dingen.

   Diese Woche sass ich in einer Redaktionskonferenz und dachte, ich sag jetzt auch mal was. Das soll ja die Karriere fördern. Allerdings waren die Kollegen mit einem Thema noch gar nicht durch, während ich schon ein anderes aufrufen wollte. Peinlich. Einsatz verpatzt.

   Im zweiten Anlauf hat es dann geklappt. Ich habe etwas gesagt, die anderen haben mir zugehört, oder sie taten zumindestens so. Mir ist nichts Ungewöhnliches dabei aufgefallen, aber nach der Konferenz sagte eine Kollegin zu mir: "Du solltest mal eine Kolumne über Menschen schreiben, die ihre Sätze nie beenden." Dabei schaute sie mich derart komisch an, dass mir die Frage durch den Kopf ging, ob die etwa mich meint? Ich fürchte doch.



   Meine Kinder behaupten schon seit langem, ich würde viele Sätze nicht richtig beenden. Eine Zeit lang machten sie Witze darüber: Papa Punkt, Punkt, Punkt und so weiter und so fort. Dann wurden die Witze immer weniger, und wenn ich jetzt so darüber nachdenke, haben mich meine Kinder schon seit längerem mehr damit aufgezogen.

   Hat ihnen vielleicht Mama ins Ohr geflüstert, dass ich womöglich sprachbehindert bin und das nicht lustig wäre. Oder haben sie sich einfach daran gewöhnt? Schliesslich wissen sie, die angesprochen sind, sehr wohl, was gemeint ist, wenn ich sage: Kinder, ihr müsst heute noch!

   Es kann sich dabei eigentlich nur um das Aufräumen des Zimmers, das Aufhängen der Wäsche oder das Ausräumen der Spülmaschine handeln. Meistens alles gleichzeitig. Wozu soll ich das alles aufzählen, wenn es auch so geht? Männer sind, was die verbale Kommunikation angeht, auch nicht so - Sie wissen schon.

   Ich würde also nicht von einer Behinderung reden, sondern von einer Gabe, die ich vermutlich vererbt bekommen habe. Mein verstorbener Grossvater mütterlicherseits war jedenfalls ein Held der offenen Worte mit offenem Ende. Seine Sätze waren so unvollendet wie Horst Seehofers Rückzug aus der Politik. Vor allem seine Kriegserzählungen fingen ausdrucksstark an und endeten meist in einem Brummeln. Das könnte allerdings auch am Krieg gelegen haben.

   Die Wirkung eines unvollendeten Satzes ist phänomenal. Weshalb Redner und Kabarettisten immer wieder darauf zurückgreifen. Man hört solchen Leuten gebannt zu, muss den Satz zu Ende denken, was wiederum ein Unterschied zu Horst Seehofer ist, der meist ohne Punkt  und Komma redet, mittlerweise allerdings in einem derart langsamen Tempo, dass man nicht mehr sicher sein kann, ob der Bundesinnenminister, wenn er den Satz beendet hat, überhaupt noch im Amt ist.



   Da Politiker heute jedem alles versprechen, wird es bald Wahlkämpfer geben, bei denen man seine Wünsche frei eintragen kann, weil sie die Sätze sagen wie: Wenn ich Kanzler bin, dann werde ich!

   Wenn mein Opa die Lust an einem Satz verlor, dann liess er ihn immer mit den selben Worten ausklingen. Ich glaube, es war: "... in diesen Dingen", aber ich mag mich auch täuschen, jedenfalls wäre er stolz auf mich, dass ich nicht nur ganze Sätze, sondern auch ganze Zeitungsartikel. Und zwar einfach so.
 

 

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