Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (06. Januar 2019)
 
Und noch ein Gutsneus!
 

Nie wird so oft gelogen wie zum Jahresbeginn. Oder meinen Sie das immer ernst, wenn Sie "Ein gutes neues Jahr" wünschen? Dann sind Sie ein guter Mensch.

   Denkt an diesen Tagen, da das Jahr noch grün hinter den Ohren ist, eigentlich einer an jene Menschen, die einen öffentlichen Arbeitsplatz bekleiden? Also beispielsweise im Foyer eines Bürohauses sitzen und von morgens bis abends den hereinspazierenden Damen und Herren "ein  gutes neues Jahr" wünschen müssen. Wer das eine komplette Schicht packt, hat den allergrössten Respekt verdient. Das wird nur vom Pförtner eines US-Reifenherstellers übertroffen, der ganzjährig "Good Year" sagt.

   Kleiner Scherz am Rande. Als maulfauler Schwabe bin ich längst bei "Gutsneus" angekommen. Gutsneus ist eine Mogelpackung. Man kann das auch zu Leuten sagen, denen man gar kein "neues Jahr" wünschen möchte, und schon gar kein "gutes". Ausserdem ist Gutsneus der Versuch, möglichst schnell den Jahreswechsel hinter sich zu lassen.



   In feinstaubgetrübten Tagen wie diesen über die Silvesternacht zu reden, kann riskant sein. Was, wenn das Gegenüber ins Detail geht und wissen will, was man so getrieben? Nach zig ausweichenden Antworten hört man den anderen sagen: "Du hast doch nicht etwa geböllert?!" Was soll man da entgegnen? Nach einer ehrlichen Antwort wäre er erschüttert wie weiland die ganze Republik, als die schauspielernde Mutter der Nation Inge Meysel ihren Kindern gestand: "Ja, ich habe abgetrieben."

   Ja, ich habe geböllert! Wohl wissend, dass wir deutschen Hornochsen an Silvester so viel Dreck in die Luft ballern, dass jeder rechtschaffende Vulkan davon einen Hustenanfall bekommt. Aber was soll man als Kind der Nachkriegsgeneration auch machen? Wir schleppen keine Kriegstraumata mit uns herum, die einen bei jedem Donnerschlag erschauern lassen. Böllern war für uns immer auch ein bissle Aufstand. Selbst Kriegsdienstverweigerer haben geböllert.

   Vielleicht hätte sich die Sache auch totgelaufen, aber als Brot für die Welt anfing, mit dem Slogan "Brot statt Böller" auf Spendentour zu gehen, haben einige von uns mit dem Gedanken gespielt. Brotlaibe zu sprengen. Ich könnte Namen nennen. Komisch. das Gehirn vergisst so vieles, aber so einen Blödsinn nicht.

   Gutsneus-mässig bin ich inzwischen ziemlich durch. Ich hätte Sie mit dem Jahreswechsel auch nicht mehr belästigt, aber ginge mir nicht ständig dieses Lied durch den Kopf. Irgendwann während der Feiertage lief "Kein Pardon", eine 25 Jahre alte Satire aufs Fernsehen mit Hape Kerkeling. Zuerst singt Heinz Schenk als Show-Moderator "Witzischkeit kennt keine Grenzen". Dann übernimmt Hape Kerkeling.



   Normalerweise kriegt man so einen Ohrwurm wieder los, indem man ein Gegengift schluckt, sich also einen anderen Ohrwurm reinpfeift. In dem Fall scheint nichts zu helfen. Nicht mal Helene Fischer. Ob beim EInschlafen, beim Aufwachen, selbst jetzt beim Schreiben singt es in mir: "Witzischkeit kennt keine Grenzen / Witzischkeit kennt kein Pardon." Manchmal ist es kaum auszuhalten, dann brülle ich "Gutsneus". Mein Gummibaum schaut schon so komisch.

   Haben wir uns eigentlich schon? Bin mir nicht so sicher. Also, Gutsneus! Ist ehrlich gemeint, nicht witzisch.
 

 

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