Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (03. März 2019)
 
Die Fünfte ist die Schlimmste
 

Denken wir in diesen närrischen Tagen doch auch an jene lieben Mitbürger, die stets gut drauf sind, aber an Fasnet nichts zu lachen haben.



   Auf einer Witzischkeitstabelle, die von Null bis Zehn reicht, würde sich unser Mann eine Sieben geben, an besonders guten Tagen auch eine Acht. Witze kann er sich zwar nur schlecht merken, aber er ist immer auf der Suche nach einem Spruch, einer Pointe.

   Manchmal hilft ihm das, um eine kritische Situation zu entschärfen. Vielleicht ist er auch nur harmoniesüchtig. Aber das ist sein Problem nicht, sollen sich doch die anderen darüber den Kopf zerbrechen. Er hat genug damit zu tun, nach dem nächsten Knaller Ausschau zu halten. Schliesslich ist das Leben viel zu kurz, um es ungelacht verstreichen zu lassen, behauptet er.

   In diesen Tagen aber ist er, der jederzeit eine grosse Klappe riskiert, auffallend ruhig. Wer ihn darauf anspricht, der bekommt nur zu hören, dass die fünfte die schlimmste Jahreszeit sei. Andere hätten Heuschnupfen, er habe eben dieses Problem. Es mag Leute geben, die mit Karneval oder der Fasnet nichts anfangen können. Bei unserem Mann ist das mehr. Seine Gedanken sind gehemmt, auch körperlich fühlt er sich unwohl.

   Früher musste er als Berichterstatter Faschingsveranstaltungen besuchen. Dem Verlauf des Abends konnte er kaum folgen, weil ihm ein Programmtitel des Humoristen Uli Keuler nicht aus dem Kopf ging: "Zuwiderhandelnde werden von unseren Saalordnern geschunkelt." Das Absitzen von Elferratsitzungen war eine Tortur. Das Schreiben darüber noch mehr. Leichter wäre es ihm gefallen, was Heiteres über einen Besuch in Guantanamo zu verfassen.

   Jedes Jahr bekommt unser Mann eine Einladung zu einer Karnevalveranstaltung von Wirtschaftsflüchtlingen, also Rheinländern, die es nach Stuttgart verschlagen hat. Sie nennen sich "Die Rheingeschmeckten". Über den Namen kann er schmunzeln, aber hingehen will er nicht, auch weil er weiss, dass seine Präsenz der Stimmung nicht gut tun würde. Immerhin gibt er sich Mühe, sein Fernbleiben originell zu begründen. Pest, Lepra, Cholera, so langsam aber stösst sein Seuchenrepertoire an Grenzen.



   Dabei hat alles so schön begonnen. In jungen Jahren liefen daheim in der Glotze die Rosenmontagumzüge. Wenn abends "Mainz bleibt Mainz, wie es singt und lacht" kam, dürfte der kleine Mann länger aufbleiben. Er mochte Ernst Neger, nicht nur wegen des Namens. Später lernte er, dass es neben Neger noch einen lustigen Dachdecker in Deutschland gibt: Erich Honecker. Aber der hatte es nur zum Dachdeckergehilfen gebracht. Sein Herz schlug eher für den Neger.

   Wie aber konnte es passieren, dass unser Mann eine regelrechte Karnevals- und Fasnetsallergie entwickelte? Er kann sich die Sache nur so erklären. Seine Mutter, eine patente Näherin, liess es sich nicht nehmen, für ihn kunstvolle Verkleidungen zu fertigen. Bestens in Erinnerung ist ihm ein Katzenkostüm. Und die Szene, wie er damit in einer Turn- und Festhalle stand und sich hundeelend fühlte. Um ihn herum lauter notdürftig als Cowboys und Indianer zurechtgemachte Kinder, die ballerten. Zu gern hätte er auch geballert. Hinterher überkam ihn, ohne auch nur einen Schluck getrunken zu haben, einen fürchterlichen Katzenjammer.
 

 

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