Dinge, so oder so

 

Die Dinge des Influencer (19. Mai 2019)
 
Sieben Gründe für den Beruf des Influencer
 

Reisen, scharf aussehen und laut sein. Sie wollen es doch auch. Werden Sie endlich Influencer. Ein Job mit Zukunft.



1   Lebe Deinen Traum
   Für die blosse Anwesenheit und etwas vorgetäuschte Lässigkeit bezahlt zu werden - wer will das nicht? Und in etwa so funktioniert auch der Beruf des Influencers. Zumindestens im Selbstverständnis der Zunft. Deshalb werden die für ihre Dienste auch nicht bezahlt, sondern sie bekommen eine Gage. Ja, genau. So wie Künstler, mit dem Unterschied, dass dass der Influencer selbst das Kunstwerk ist. Und hören Sie bitte nicht auf die Leute, die Influencer lediglich als etwas vorteilhafter geformte Litfasssäulen bezeichnen. Das ist purer Neid.

2   Sei Du selbst
   Sie verbringen eh schon zu viel Zeit mit Ihrem Smartphone, der Pflege Ihrer Social-Media-Kanäle und der fotogenen Selbstinszenierung. Auf der Strasse oder im kommunikativen Miteinander wären Sie kaum noch überlebensfähig. Mit nur geringem Mehraufwand können Sie Ihre soziale Unverträglichkeit in eine komfortable Karriere umsetzen. Ihr Job ist fortan, irgendetwas zu machen, ein Produkt oder eine Dienstleistung zu nutzen und Ihrem Smartphone oder der Handykamera davon zu erzählen. Wenn es klappt, sind Sie so beschäftigt, dass Sie garnicht mehr mit "echten" Menschen reden müssen. Voll gut, eigentlich. Für die anderen.

3   Der Weg ist das Ziel
   Der Berufswunsch Bundeskanzler scheitert an den lästigen Überstunden, die der Job mit sich bringt. Rockstar wäre auch eine Option gewesen, wenn Sie doch nur ein Instrument spielen könnten. Studium abgebrochen, Roman nicht geschrieben, Karriere als Profifussballer beendet, weil sogar die Sportfreunde Lauffen am Neckar zweimal wöchentlich auf Ihre Anwesenheit beim Training bestehen. Höchste Zeit, ihr eigener Chef zu werden und von Ihrer reichhaltigen Berufserfahrung zu profitieren.

4   Ja, Du kannst es
   Es nervt, wenn der Partner ständig im Rampenlicht steht oder andauernd mit seinem Profifussball beschäftigt ist. Früher mussten gelangweilte Spielerfrauen noch Boutiquen für selbst gebastelte Handyhüllen in Ortschaften mit 1200 Einwohnern eröffnen. Heute aber gilt Youtube, Instagram und Facebook.

5   Alles wird gut
   Der Welt mangelt es Philosophen. Wenn Sie gerade nichts zu verkaufen haben, sondern Sie auf Ihren Kanälen einfach rührige Kalendersprüche wie "Vorsicht im Strassenverkehr" ab - nur halt ein bisschen tiefschürfender. Irgendetwas mit Liebe oder Träumen geht immer. Und tun Sie so, als wäre das Ihre wahre Leidenschaft, nicht die Werbung.



6   Wissen ist Macht
   Machen Sie sich zum Sprachrohr - zum Beispiel in Fitness-Angelegenheiten. Geben Sie Tipps für tolle Bauchmuskulatur oder einen festen Po. Wenn die Aufträge von fitnessaffinen Firmen einbrechen, werden Sie einfach Experte in einem anderen Fachgebiet - für Homoöpathie (oder wie man das schreibt), unbequeme Schuhe oder Kindererziehung zum Beispiel.

7   Jeder ist ein Künstler
   Influencer sind glamourmässig immer in Bewegung, das hält jung und kreativ. Ein Tipp: Fotografieren Sie Ihre Füsse im Sandkasten auf dem Kinderspielplatz Neugereut und schreiben Sie "Beachlife Ibiza! Ich liebe es! / Werbung" dazu ins Internet.
 

 

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