Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (06. Oktober 2019)
 
Traurige Ritter des Strassenverkehrs
 

Mobilität: Die Klimadebatte stellt alle Gewissheiten auf den Kopf und macht Herren zu Sklaven. Doch es gibt Hoffnung. Jedenfalls ein bisschen. Vielleicht.



   Für die Digitalisierungs-Gewinner in Slim-Flit-Anzügen, die anthroposophischen Kita-Mütter und die ganz normalen PS-Fetischisten begann die Woche anders als sonst. Düstere Wolken zogen auf. Blitze zuckten aus dem Induktionskochfeld, Kunstdrucke fielen von von der Altbauwand. Die Betroffenen verliessen fluchtartig ihr Zuhause, schlossen die Türe leiser, hielten ihren Kinder den Mund zu, verzichteten auf Smartphone-Sätze wie "Bin gleich im Office" - "Die Pläne müssen heute noch raus" - "Kaufst du noch den Staudensellerie bei Maurice?". In ihren Augen standen Angst, ja Panik.

   Noch vor Kurzem war das anders. Kaum hatten sich die tonnenschweren Türen eines Cayenne, Q7, F-Pace oder GLE schmatzend geschlossen, war man ganz bei sich - in einer Heimat, wo die Sonne nie unterging. Man erweckte den flüsternden Motor zum Leben, liess sich von Phil Collins den Nacken kraulen und begann die alltägliche Feindfahrt durch die kabbilge See der Grossstadt mit ihren Billig-Shops, Drogendealern, Migrations-Kapuzzenpullovern, Mittelklasse-Spiessern und Kampfradlern. Die Kinder wurden beim Verlassen des Sechszylinder-Mutterschiffs sanft Richtung Schuleingang geschubst und waren nach wenigen Metern in Sicherheit.

   Sicherheit - dafür standen die Buchstaben SUV. Niemand weiss bis heute, was die bedeuten. Es hat irgendwas mit Sport, Gelände, individuellen Erfolg und einer goldigen Kleinfamilie zu tun, der es an nichts fehlt. Jetzt aber stehen die drei Buchstaben für entfesselten, ja obzönen Individualismus, für eine Apotheose vulgärer Technik. SUV-Fahrer, einst herrische Regenten des Strassenverkehrs, sind nur noch Ritter der traurigen Gestalt. Sie leiden unter zitternden, nach unten hängenden Mundwinkeln und Albträumen, in denen sie von ihren eigenen Autos überrollt oder aufgefressen werden. Sie verstecken sich bei jeder roten Ampel im Handschuhfach, während vor dem Auto Klimaschützer und Dieselgegner hämisch grinsend mit Farbbeuteln spielen. Viele SUV-Besitzer sind mittlerweise zu verängstigt, dass sie sich dem Ablasshandel der Klimabewegung unterwerfen, ihre Kinder zu Demonstrationen fahren, bei denen sie keinen Parkplatz finden, oder ein Lastenfahrrad kaufen. Abends aber, in der sicheren Garage, spielen sie melancholisch mit der elektrischen Sitzverstellung und lassen sich von der freundlichen Therapeutin des Navigationssystems trösten.



   Doch es gibt keinen Trost. Politik, Gesellschaft und Forschung sind sich einig, dass der SUV-Fahrer unter seinen XXL-Reifen nicht nur Insekten, sondern alle Werte der Humanität zermalmt. Wenn er auch nur einmal die Klimaanlage um 0,003 Grad kühler justiert, verhungern in Afrika hunderttausend Menschen oder fliehen aus Verzweiflung nach Europa, wo sie sich den Traum vom eigenen Luxus-Geländewagen erfüllen wollen.

   Ein Funken Hoffnung aber ist in Sicht. Mitte der Woche erreichten uns Meldungen, ein Hersteller habe einen Autolack in speziellem Schwarz entwickelt, das vom menschlichen Gehirn nicht verarbeitet werden kann. Der Betrachter blicke gleichsam in ein schwarzes Loch. Ein SUV, den man nicht sieht - Experten sehen darin die Zukunft urbaner Mobilität.
 

 

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