Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (01. Dezember 2019)
 
Last xxxxxxxxx, I gave you ...
 

Musik: Eine Melodie aus alter Zeit berührt im Advent die Herzen der Menschen. Niemand kann sich dem Zauber dieses Chorals entziehen. Wer es dennoch versucht, dem gnade Gott.



   Der Advent ist traditionsgemäss die Zeit des Innehaltens und des überzogenen Girokontos. Die emotionale Basis dafür ist eine uralte Weise, die sich auch in dieser Woche wie ein feuchtwarmer Waschlappen auf das Gemüt legte: Da da da dadadadida daadadadadadada didididada.

   Wer nicht weiss, von welchem Lied wir sprechen, bekommt eine kleine Hilfestellung und kann die fehlenden Textstellen ergänzen: Last xxxxxxxxx, I gave you my xxxxx / But the very next xxx you gave it xxxx. Die Auflösung reichen wir irgendwann nach oder auch nicht.

   Das Lied heisst "Last Christmas" - so viel sei verraten - und wurde der Legende nach von einem Volksschullehrer aus Tirol komponiert, der, als er unter Einfluss von Zirbenschnaps in eine Kerze blickte und neben der Jungfrau Maria auch einen jungen Mann in einem sogenannten Norwegerpullover sah ... Weitere Geisterbilder folgten, in denen rot gekleidete Frauen, schreckenerregende Pelzmützen und Männer erschienen, deren Frisuren damals wie heute alles für mögliche Gehaltene übertrafen.

   Das Lied trat einen beispielslosen Siegeszug in den Metropolen Europas und Asiens an. Es existieren Varianten für grosses Orchester, Blockflötenschulklassen, Deutschrap "Xmas / kein Palaver / Neunmillimeter / macht ratata / in dein Herz", Dieselprotestchor und Akkuschrauber. Das Original muss laut einem Beschluss der Kulturministerkonferenz in der Adventszeit jeden Tag 15-mal in allen öffentlich-rechtlichen Radiostationen abgespielt werden. Auf den Weihnachtsmärkten wird es vom örtlichen Posaunenchor in dem Moment angestimmt, wenn der einmiilionste Liter Glühwein an die Besucher abgegeben worden ist.

   Seine volle Wirkung erntfaltet es aber erst nach einer sogenannten Endlosschleife. Kenner, die es vom ersten Advent an bis weit nach Heiligabend ununterbrochen auf einem gut abgeschirmten Kopfhörer abspielten, berichteten von mystischen Nahtot-Erfahrungen. Sie erblickten das Jesus-Kind, meist in Gestalt eines Dessousmodels, und verspürten den Drang, den vorbeihetzenden Amazon-Boten zu umarmen. Sie gerieten allzu schnell in den vorweihnachtlichen Rausch, der von Kirchen, Einzelhändlern und Politikern aus merkantilen Gründen und wegen des gesellschaftlichen Zusammenhalt dringend gefordert wird.



   Allerdings regt sich auch Kritik. Jedes Jahr verschulden sich arglose Hörer für Weihnachtsgeschenke, bandeln zügellos mit dem anderen oder gleichen Geschlecht an und mieten teure Schweizer Alpenchalets. Alles in der Annahme, es handelte sich - wie in dem Lied beschworen - um das letzte offizielle Weihnachtsfest. Fassungslos stellen sie fest, dass ein Jahr später dieselbe Musik durch die Fussgängerzonen schwappt und alles von vorne beginnt. Viele ertränkten sich angesichts ihrer aussichtslosen Lage in einem Glühweinkessel. Forderungen, das Lied zu verbieten, bleiben aber erfolglos.

   Allerdings entdeckten Musikwissenschaftler bei Ausgrabungen in Tirol einen Abschiedsbrief des Komponisten, in dem er sich für die möglichen Folgen seiner Komposition entschuldigte. Er habe das alles nicht gewollt.
 

 

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