Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (26. Januar 2020)
 
Panierte Frösche und ein Königstiger
 

Grüne Woche: Wer die Messehallen in Berlin besucht, schwimmt durch den Verdauungstrakt der Wohlstandsgesellschaft. Doch obacht, jede Fischsemmel kann die letzte sein.

   Ein Rülpsen aus vielen Tausend Kehlen erschütterte in dieser Woche das Land. Epizentrum des peristaltischen Bebens war Berlin, genauer gesagt das Gelände der Grünen Woche. Dort versammelten sich wie in jedem Jahr Abertausende Nutztiere, Winzer, Gemüseköniginnen, Biomöhren und Bauern.



   Zu ihnen gehört der Landwirt Lars P. aus Niedersachsen, den wir begleitet haben. Am Montag parkt er seinen sechsstöckigen Traktor vor der Halle und beginnt seinen Rundgang am Stand von Mecklenburg-Vorpommern, wo er sechs Fischbrötchen isst. Er lässt sich von einem Aussteller des Partnerlandes Kroatien einige Schnäpse verabreichen und wird Zeuge, wie sich sechs Schweine und ein Vegetarier langsam auf einem Balkanspiess drehen. Kaum zehn Meter weiter versuchen zwei ausgehungerte Berliner Rentner, unter ihren Windjacken ein Spanferkel aus der Halle zu schmuggeln. Sie stolpern auf der Rolltreppe und durchbohren mit der Grillgabel versehentlich eine Kleinfamilie. Einige panierte Frösche huschen vorbei. Sie werden später in Neukölln von der Polizei gestellt und einer Dönerbude übergeben. Eine sächsische Spezialfirma zeigt ihren Traktor vom Typ Königstiger, der mit nur einer Tankfüllung 300 Quadratkilometer Fläche mit Glyphosat unbewohnbar machen. Firmen-Slogan: "Volk ohne Baum."

   Am Tag zwei schnuppert Lars P. an einem Flakon neuen Zuchtaromen und sieht auf einem Video eines britischen Starkochs, wie ein paar Dutzend illegale Einwanderer zu einem Lammpudding weich gekocht werden. Eine Geschmacksprobe verursacht eine peristaltische Verpuffung der Stärke 6 auf der Buscopan-Skala. Am Nachmittag ein erster Eklat. Einige Hundert Tierschützer befreien ein zwölf Tonnen schweres Kobe-Rind. Sie werden mit dem Herbizid eines chinesischen Anbieters aus der Halle vertrieben.

   An Tag drei bekämpft Lars P. ein spontandes Hungergefühl mit einer Doppeltonnage bayerischer Schmankerl. Seine Cholesterinwerte lösen den Hallenalarm aus. Damit nicht genug. Das Zwiebelkuchenfest einer Brandenburger Grossbäckerei führt bei Lars zu einem Reflex bis in den zwölften Stock. Er hält sich an einer Biomöhre fest, die sofort aufschreit und die Security alarmiert. Lars muss zur Strafe die nordrhein-westfälische Kartoffelkönigin küssen und kann danach nur mit Mühe wiederbelebt werden. Lästig sind auch die vielen Wildbienen, die ihn umschwärmen und in Diskussionen über den Einsatz von Unkrautvernichtungsmitteln verwickeln. Lars weint falsche Honigstränen und entkommt in einem afganischen Gewürzbehälter.



   An Tag vier des Messebesuchs ähnelt die Hautfarbe des Bauern einer rohen Fleischwurst im Kaltsud. Lars P. wird auf den Krankensammelplatz gebracht, wo schon halb Berlin liegt.

   Nach der Entlassung streift er beim Ausparken mit seinem Traktor die aus Rinderhack modellierte Julia-Klöckner-Statue, die zusammenbricht und zwölf Ziegen eines Schaubauernhofs unter sich begräbt. Lars P. gibt Vollgas - in den Taschen noch zwei abgelagerte schwedische Gourmetheringe. Sie halten die Polizei auf Distanz.
 

 

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