Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (02. Februar 2020)
 
Wider dem Vergessen
 

Dinge der Woche: Kreschmanns umstrittene Einlassung zur Rechtschreibung erinnert unseren Autor an eigene Fehler und daran, dass er sich eigentlich eine Kapsel Schlaf gönnen wollte.

   Die zurückliegende Woche begann mit einer Geschichte der Nachrichtenagentur dpa über einen Menschen, der in Hannover ein fensterloses Hotel betreibt. Die Zimmer in diesem Hotel sind alle sehr klein, so klein wie eine Box, weshalb es auch Boxhotel genannt wird. Sollte sich die Wohnungsnot hierzulande weiter zu spitzen, könnte es bald feste Mieter für solche Boxen geben, die im Fachjargon auch Schlafkapseln heissen.



   Allerdings stehen dem Ganzen noch Bedenken vonseiten der Behörden entgegen, die dem Hotelbesitzer zur Auflage gemacht haben, seine Gäste nach spätestens drei Nächten wieder an die frische Luft zu setzen, andernfalls bestehe Gesundheitsgefahr. Gegen diese Auflage kämpft der Hotelier an.

   Das erinnert mich an einen Hotelaufenthalt in Ho-Chi-Minh-Stadt, der grössten Stadt Vietnams, früher unter dem Namen Saigon bekannt. Der Hotelier dort gab meiner Frau und mir zunächst das schönste Zimmer - das einzigste mit Balkon. Tage später teilte er uns mit, dass er uns leider in ein kleineres Zimmer umquartieren müsste - und später in ein noch kleineres, das nicht einmal mehr ein Fenster hatte. Da wir eh kurz vor der Abreise standen, liessen wir es geschehen - mit uns kann man es ja machen. Ein bisschen aber trauerten wir schon dem schönen Zimmer mit Balkon nach, das aber - bei uns fällt der Groschen manchmal spät - offenkundig einzig und allein dazu da war, neue Gäste anzulocken.

   In Wohngemeinschaften, so habe ich von Bekannten gehört, läuft es anders herum. Neue Gäste kriegen erst mal das kleinste Zimmer. Zieht einer aus, gibt es je nach Zimmergrösse ein fröhliches Wechseln. Wenn man also nur lange genug in so einer WG wohnt, schafft man es irgendwann ins grösste Zimmer. Das ist wie bei den Dienstalterstufen.

   Winfried Kretschmann ist mit seinen 71 Jahren schon auf einer hohen Dienstalterstufe und hat als Ministerpräsident von Baden-Württemberg sowieso Anspruch auf das grösste Zimmer. Auch er hat kürzlich mit der Nachrichtenagentur dpa geredet - ein Gespäch, das auch noch in dieser Woche Nachhall fand, weil Kretschmann sich darin angeblich despektierlich über die Rechtschreibung geäussert haben soll. Sinngemäss sagte er, dass es in der Bildungspolitik wichtigere Themen gäbe, was vor allem jene aufregte, die es mit allem ziemlich genau nehmen, zunindestens in der Theorie. Das Staatsministerium versuchte zu retten, was zu retten war und schickte auf Twitter einen Tweet hinterher, dass Kretschmann an vielen Stellen leider missverständlich und gekürzt "widergegeben" worden sei.



   Dieser Rechtschreibfehler, der wenig später korrigiert wurde, erinnerte mich wiederum an einen meiner eigenen grössten Fehler. Ich formulierte vor vielen Jahren mit der Überschrift "Wider dem Vergessen" - eine besondere Art des schwäbischen Dativs, ziemlich falsch, ziemlich peinlich. Zu meiner Verteidigung kann ich nur sagen, dass es ein Sonntag war. Ich hatte Dienst, war frisch verliebt, also etwas übernächtigt und hätte es damals schon Boxhotels gegeben, hätte ich mir womöglich vorher noch schnell eine Kapsel voll Schlaf gegönnt, dann wäre das alles nicht passiert.
 

 

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