Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (16. Februar 2020)
 
Meuchelmörder aus Pappmache
 

Dinge der Woche: Gegen das, was uns in den kommenden Wochen bevorsteht, war der Orkan Sabine nur ein laues Lüftchen. Aber Alkohol kann helfen.



   Tanzten zu Beginn der Woche noch Gartentische, Haustiere und Kinderwagen ein ätherisches Luftballett, erlahmten die Winde des Sturmtiefs Sabine zur Wochenmitte wieder. Die Menschen sammelten ihr zerstreutes Hab und Gut ein, nutzten das Chaos, um heimlich einen verbogenen Küchenhocker, kaputte Fahrradschläuche und die alte Computerfestplatte über den Zaun zum Nachbarn zu schleudern, und bügelten ihre zerzausten Haare. Ein Funkmast aus Brandenburg fand sich nach dem Sturm in Hessen wieder und fing dort ein neues Leben an, in einem Regionalexpress bei Herrenberg fing die Kaffeemaschine wie­der an zu röcheln und ein Autofahrer, der drei Tage lang einen Zwangsslalom um herumliegende Verkehrsschilder und Baumstämme fahren musste, wurde verrückt und sitzt in der Psychiatrie.

   Viele Deutsche, die sonst zielstrebig ihre Wege nach Nutzen und Aufwand bemessen, ließen sich von Sabine ins Privatleben fremder Menschen treiben oder hatten plötzlich einen vom Himmel herabgestürzten Pudel im Einkaufskorb. Auch die CDU-Chefin nutzte den Wind, um sich aus ungeliebten Ämtern tragen zu lassen, warf aus der Luft einige Kusshände in Richtung des politischen Berlin und ward nie mehr gesehen.

   Davon unbeeindruckt nahm die allgemeine Umtriebigkeit der sogenannten fünften Jahreszeit an Intensität zu. Ein Bohren, Flüstern, Kichern, untermalt vom Ploppen Tausender Bierflaschen in den Garagen, Werkstätten und Vereinsheimen, erfüllte die Luft. Der bevorstehende Karneval stellt die Organisatoren vor gewaltige Herausforderungen: Lässt sich die Physiognomie des thüringischen Chefs der Rechtspartei - eine Melange aus Fitnesstrainer, Physikstudent und Gefängnisaufseher - als Maske nachbilden? Wie poliert man eine FDP-Glatze? Welcher Kostümverleih hat noch Hindenburg-Uniformen im Angebot?

   Als sicher gilt, dass der erste Motivwagen zum Thema Machtergreifung fast fertig ist. Es sei gelungen, diesen Abschnitt der deutschen Geschichte mit einem entschlossenen „Nie wieder“ zu grundieren und in luzid-humoristischer, niemals aber derb-plumper Manier unters Volk zu bringen. Auf Konfetti werde verzichtet.



   Offen ist aber, was passiert, wenn etwaige Nachfolger von Sabine die Macht an der Wetterfront ergreifen. Experten befürchten, dass Masken, Glatzen und Figuren von der ersten Windbö durcheinandergewirbelt werden. Dann seien weder links noch rechts, weder braun noch schwarz mehr zu unterscheiden. Gestürzte Führer, Verräter, Karrieristen und Meuchelmörder aus Pappmache und Holz würden sich unkontrolliert über die Innenstädte verbreiten.

   Erfahrene Karnevalisten wiegeln in dessen ab: Man habe die Lage im Griff. Selbst wenn Populismus, Willfährigkeit, Dummheit und Geschichtsvernebelung orkanartig außer Kontrolle geraten sollten, könne man sich das ganze Chaos-Tableau binnen weniger Stunden schöntrinken. Dann würde auch niemand merken, dass der alte Stimmungskracher „Viva Colonia" durch „Finis Germania" ersetzt werde. Und am Aschermittwoch sei ohnehin alles vorbei.
 

 

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