Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (19. April 2020)
 
Urwaldlärm aus dem Ministerium
 

Dinge der Woche: Die Deutschen wachsen über sich hinaus. Während in den Bastelkellern die 3-D-Drucker glühen, ist unser politisches Personal so schön wie nie.

   Eleganz und Tatkraft haben sich noch nie zuvor so vortrefflich vermählt wie im politischen Berlin während der Corona-Krise. Als Meister der Krise gilt der Verkehrsminister. Er hat mangels Verkehr nichts mehr zu tun, setzt sich aber glamourös in Szene. Ein spöttischer Mund, die modische Brille, alles übergossen von einem über Stirn, Wangen und Schultern fliessenden Haar-Katarakt, dem das Verbot aller Friseur-Dienstleistungen nichts anhaben kann. Zu Recht wies er darauf hin, dass mit einer Autobahnmaut das Corona-Virus niemals so schnell in unser Land gekommen wäre. Oder wenigstens ordentlich dafür bezahlt hätte.



   Allmorgendlich fräst sich knisternd ein Kamm aus Elfenbein durchs ministerale Haar (ein Geschenk des Ministers für Infrastruktur aus dem Senegal für "Dear Andy"). Es übertönt für einen Moment das Flattern der rot-weissen Bänder, die jede Parkbank in eine Zone absolutem Schnäuzverbot verwandeln, gegen das zu verstossen mit dem Entzug der Lebensmittelkarten bestraft wird.

   Die Politik agiert in der Krise also stilistisch brillant und spart nicht mit Hinweisen, wie man der Langeweile in der privaten Kasinierung ein Schnäppchen schlägt. Die Kanzlerin rät dazu, einfach mal drei Stunden auf den Blumentopf zu schauen, die Agrarministerin bevorzugt eine leichte Rieslingwanderung und ein Selfie mit Kirschblüte. AfD-Politiker empfehlen, die alten Generalstabskarten des Ostfeldzugs zu studieren und aus damaligen Fehlern zu lernen.

   Doch das Volk hilft sich längst selbst. In ihrem Kellerreich, das von keiner Ordnungspolizei erreicht wird, produzieren Heimwerker Drahtgestelle für Schutzmasken aus dem 3-D-Drucker. Vorlage ist der Kinofilm "Das Schweigen der Lämmer", in dem eine bissfeste Gesichtsarmierung die Hauptrolle spielt. Sie blockiert Viren bis zur Grösse einer Kartoffel.

   Darüber hinaus erlebt das sogenannte Heimbüro eine nie erwartete Blüte. Der Deutsche, an präzisen Vorgaben für seinen Arbeitsalltag gewöhnt, Erfinder der Stechuhr, Meister des minutengenauen Verzehren einer Pausenstulle, schlurft vom Wohnzimmer zum Laptop, auf dem Schoss ein Mittagessen, kratzt sich an unstatthafter Stelle, putzt seine Zähne vor dem Bildschirm, grunzt, flucht und schluckt und vergisst über alldem, sein Mikrofon auszuschalten.



   Übertönt wurde diese Symphonie der Privatheit von dumpfen Geräuschen aus dem Wirtschaftsministerium in Berlin, die auch Optimisten an die letzten Tage der Menschheit denken liessen. Die Erleichterung war gross, als die Herkunft dieser urwaldhaften Kakophonie bekannt wurde. Der Hausherr gab zu, neuerdings mit Hanteln zu trainieren, die seit Jahren unbenutzt bei ihm herumgelegen hätten, weil man sie nicht essen kann. Jetzt bleibe ihm endlich dafür Zeit. Sollte der Ausnahmezustand andauern, rechnen Sportphysiologen bei dem Minister mit einem Muskelberg von der Grösse des Hochsauertals.

   Virologen plädieren dafür, erste Bilder davon in zwei Wochen zu veröffentlichen, um unter den in Deutschland grassierenden Viren Panik und Verunsicherung zu stiften. Wenn das gelingt, wären wir aus dem Gröbsten raus.
 

 

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