Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (24. Mai 2020)
 
Selbstkauende Fingernägel
 

Dinge der Woche: Depressionen machen sich breit, Corona sei Dank. Manche leiden am Kalbitz-Syndrom, andere am Boris Palmer. Und nirgendwo gibt es Medizin oder Mentholzigaretten.

   Worüber man nicht schweigen kann, darüber soll man endlich reden: Depressionen. Ein unangenehmes Thema, fast so peinlich wie Achselnässe im Homeoffice oder die Frage, ob die streng observante Glaubengemeinschaft der Grünen ihren Oberhäretiker Boris Palmer exkommunizieren oder gleich auf den Scheiterhaufen bitten soll.



   Doch die Deutschen hat es die vergangenen Wochen hart getroffen, das Coronavirus befällt längst nicht nur Lungen und Nieren, es macht sich vor allem auch in den Seelen der Menschen breit. Bis vor Kurzem dachte man, schwere Depressionen bekämen hauptsächlich übergewichtige Teenager mit Handyverbot, SPD-Mitglieder und die eigentlich furchtlosen Fans des VfB Stuttgart.

   Mit solch einem Pandemie-Burn-out und Abstieg in die zweite Gemütsliga kämpfen nun aber auch echte Macher und Leistungsträger. Eltern aus der gehobenen Mittelschicht zum Beispiel. Sie haben schmerzlich erfahren müssen, dass in ihren Lofts und Häusern fremdartige Untermieter wohnen, nämlich die eigenen Kinder, für die diese High Performer mit internationalen Karriereplanungen und Fremdsprachenkenntnissen auch Verantwortung tragen. Homeoffice, Homeschooling, Homecooking in der heimischen Showküche - ja, wo sind denn der Sozialstaat, die Überzeugungshilfen, Hausmädchen, Lehrer und Grosseltern, wenn man sie mal braucht?

   Die Nerven liegen blank. Während überlastete Supermütter in den sozialen Medien den Kommunen Geld für die Betreuung ihres erziehungsfrei gedeihenden Sprösslings und die auf den letzten Drücker gebuchte Sylter Ferienwohnung in Rechnung stellen, geben die nichtsnutzigen Kindsväter vor, den Müll rauszubringen und füttern Tauben im Park. Oder sie betteln darum, wieder ins Büro oder Ehebett zurückkehren zu dürfen, und führen bei zahllosen Fahrten im geleasten SUV rätselhafte Selbstgespräche auf Business-Englisch. Tragisch. Warum kann niemand helfen?



   Auf der anderen Seite: Die völlig überdrehten Politiker. Manche leiden unter akuter AfD, auch bipolares Kalbitz-Syndrom genannt. Bei diesen Patienten handelt es sich um gespaltene Persönlichkeiten mit selbstkauenden Fingernägeln, die kaum noch zu stabilen Beziehungen fähig sind. Vorsicht, ansteckend! An einem Tag verhöhnen die infizierten die Demokratie, am Abend heulen sie sich in den Schlaf der Selbstgerechten. Da hilft auch kein desinfizierendes Stahlbad in der aufgebrachten Menge nach dem umstrittenen Selbstheilungsrezept von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU).

   Nicht untypisch für Depressionen sind manische Phasen, in denen die Leidenden ihr Geld unters Volk bringen und Spielschulden anhäufen (Olaf Scholz) oder trotz Distanzierungsgebot wildfremde Passanten umarmen und abbusseln (Christian Lindner). Bei Kritik werden sie aggressiv, fallen über Unschuldige her und klauen ihnen die billige Wurst vom Brot (Robert Habeck). Früher, in der Bonner Politik, halfen Mentholzigaretten gegen depressive Verstimmungen im Kalten Krieg, doch die sind ab sofort verboten. Es bleibt hoffnungslos.
 

 

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