Dinge der Woche: Die Deutschen vergraben sich
und ihr Gemüse aus Angst vor dem Virus in der Erde. Dort unten
ist es warm und sicher. Nur die Pflanzensamen gehen langsam
aus.
Wie es geht? Na ja, Appetit gut,
aber sonst meist öde. Schulterzuckende Corona-Wurschtigkeit.
Erinnerungen an vergangene Umarmungen tauchen nebulös auf, an
gesellige Abstürze und das gute alte Alleinsein mit dem Fernseher
als bestem Freund. Allgemeine Viren-Melancholie also. Könnte
man jetzt stundenlang ausrollen wie einen leicht übel riechenden
Teppich, der schon Abnutzungserscheinungen aufweist. Nur, wer
will das lesen? In der Redaktion klare Tendenz: Man braucht
etwas Aufbauendes, sommerlich Leichtes. So eine Art Prosecco-Essay
mit Johannisbeer-Spritz.

Okay,
schreiben wir also darüber: Dass die Menschen in Deutschland
spätestens seit dieser Woche ihr Liebe zum Garten entdecken.
Sie wühlen, harken und graben sich in die Krume, wo sie auf
versunkene Zeugen einer frühen Vor-Corona-Zivilisation stossen.
Aktienpakete etwa, die stark an Wert verloren haben oder Bierflaschen,
die von Gartenfestspielen Zeugnis ablegen, die jetzt unter strenger
Strafe stehen. Experten vermuten, dass die pandemisch hereinbrechende
Gartenarbeit auch dazu dient, vor der Welt zu fliehen. Hundertausende
Deutsche sitzen unter der Grasnarbe un hören Musik von Lana
del Rey. Dort unten ist die virenverseuchte Welt weit weg, höchstens
eine kerngesunde Assel schaut neugierig auf die Eindringlinge
aus der Oberwelt.
Über ihnen wachsen
Mangold, Staudensellerie und Zucchini. Nebenan vergräbt der
Nachbar seinen alten Euro-5-Diesel drei Stockwerke tief in den
Boden. Nach der kommenden Währungsreform will er ihn wieder
herausholen, um zum Metzger zu fahren, der endlich wieder Mortadella
im Schaufenster liegen hat. Links, unter dem unauffälligen Mehrfamilienhaus,
liegen 47 Kilo Marihuana in der Regentonne, die der Nachbar
ins Land schleuste, bevor überall die Grenzen geschlossen wurden.
Lukrativer
als der Handel mit relaxierenden Drogen ist aber mittlerweise
der Samenschmuggel. Rentner verschucken Bohnen- und Pastinakensetzlinge,
die sie sich sonst nicht mehr leisten könnten, und versuchen
sie aus den sogenannten Gartenfachmärkten zu schleusen, die
sich längst in Hochsicherheitszonen verwandelt haben. Es gibt
Gerangel um die letzten Tomatenpflanzen, vor der Kasse reisst
man sich die Mund-Nasen-Maske vom Gesicht, weil darunter eine
Pompon-Dahlie-Blumenzwiebel versteckt ist. Das Schicksal eines
zwangsverheirateten Blumenkohls bewegt die ganze Nation.

Sollte
die Corona-Krise noch länger andauern, wird Deutschland also
wieder zu einem Agrarstaat. Mähdrescher werden wie Panzer durch
die Wochenschauen rollen, Jungbäuerinnen können sich vor Heiratskandidaten
kaum retten. Wer beim gemeinsamen Zucchini-Ernten im Grossstadtgarten
zugibt, noch in einem Büro zu arbeiten, erntet nur noch Mitleid.
Die Forschung an einem Impfstoff wird eingestellt. Stattdessen
wird an Lavendel-Bier und an Kartoffeln geforscht, deren Nährwert
auch für eine mittlere Elefantenherde bis zur dritten Welle
der Pandemie reicht. Dazu trinkt man einen Kohlrabi-Weisskohl-Rhabarber-Spritz
mit einem Bund Kapuzinerkresse - aus eigenem Anbau.
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