Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (09. August 2020)
 
Der Sommer der Podestbewegten
 

Dinge der Woche: In Deutschland denkt man intensiv über Denkmäler nach. Da macht ein 3er-BMW-Fahrer etwas, was unserem Autor wiederum zu denken gibt.

   In absehbarer Zeit wird es in Deutschland kein Hitler-Denkmal geben. Der Mann war zwar Vegetarier, aber die Sache mit den Autobahnen hängt ihm doch immer noch nach. Der misslungene Autobahnmaut wiederum wird verhindern, dass Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer jemals ein Denkmal gesetzt wird. Also wenigstens nicht in dieser Legislaturperiode. Ausserdem ist Scheuer noch unter den Lebenden.



   Während man im deutschen Hochsommer 2020 in die heisse Phase der Denkmal-Debatte eintritt, radle ich, ohne mir dabei gross was zu denken, schwitzend zum Bäcker, um mir einen Bienenstich zu holen. Als ich mein Rad abstellen will, sticht mich eine Wespe in den Nacken. Ich weiss nicht, warum das Tier das tat. Ich hatte ihm nichts getan. Vielleicht konnte es Gedanken lesen und wollte mich daran erinnern, dass es ausser Bienen- auch Wespenstiche gibt. Wespen haben mich schon an delikateren Stellen erwischt. Was mich deprimierte war, dass ich ahnte, was nun kommt.

    Im Grunde bin ich ein robuster Hund, reagiere aber mit Zeitverzögerung allergisch auf Wespenstiche. Am nächsten Tag hatte ich eine kindskopfgrosse Schwellung im Genick, die mich bucklig wie Quasimodo daherkommen liess. Genau so fühlte sich das an. Das lasse ich mir auch von Leuten nicht kleinreden, die behaupten, da sei nur eine leichte Erhöhung zu sehen gewesen.

   Warum nur da hinten im Genick? Warum ist der Feind nicht manns genug und greift mich von vorne an! Als schwacher Trost klammere ich mich an den Satz eines Metzgers am Morgen auf dem Wochenmarkt, der, kein Scherz, über seinen Kollegen neben ihm am Stand sagte: "Der fährt so schnell Motorrad, bei dem kleben die Mucken hinten am Helm."

   Der Besuch beim Bäcker verläuft weitgehend unfallfrei. Beim Rausgehen sehe ich, wie ein Kunde wild winkend auf einen 3er-BMW älterer Bauart zuläuft, der gerade vom Hof rollen will. Der Kunde zeigt auf die Stelle, an der eben der BMW noch stand. Dort liegen mehrere Papiertüten auf dem Asphalt. Er möge den Müll bitte aufheben, sagt der Kunde. Der BMW-Fahrer gibt aber Gas und fährt davon.

   Leute, die die Szene beobachten hatten, schüttelten die Köpfe, jemand sagt was von "Nummer aufschreiben" und "anzeigen". Eine Wut steigt in mir hoch, die mich für kurze Zeit den Wespenstich vergessen lässt. Vielleicht liegt es am Alter, dass ich immer reaktionärer werde. Ich wäre für einen Monat Fahrverbot und Müllauflesen am Strassenrand.

   Was denkt so ein Vollpfosten? Schliesslich fährt er mit so einem Auftritt auch eine Karre in den Dreck, die jahrelang mit dem Image als Proletenschüssel zu kämpfen hatte.



   Was haben wir uns gekringelt, als irgendwann nach dem 11. September eine Polizeimeldung über den Ticker lief. Eine Person, auf die Beschreibung von Osama bin Laden passte, sei auf der A 8 bei Pforzheim gesehen worden. Auf dem Beifahrersitz eines 3er-BMW! Die Lachfalten trage ich noch heute.

   Wenn wir uns schon mit Menschen so schwertun - wenigstens die eine oder andere aussterbende Karre sollte man aufs Podest heben dürfen.
 

 

Zurück