Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (16. August 2020)
 
Alexander der Grösste
 

Dinge der Woche: Alle Welt schwärmt vom Uraltpräsident von Belarus, das auch als Weissrussland und slawisches Death Valley bekannt ist. Doch wer ist eigentlich Alexander Lukaschenko?

   Überraschung! Die Scheinwahlkommission in Minsk hat den sympatischen Despoten erneut zum Sieger der Präsidentenwahl erklärt. Der 65-jährige Freund der Kernkraft hat 80 Prozent der unterdrückten Stimmen beim Urnengang geholt, hiess es. Oder waren es 180 Prozent? Egal! Jedenfalls ist es Lukaschenko 17. oder 23. Amtszeit. länger an der Macht sind nur noch Freund Putin und das kyrillische Alphabet. Doch wie ist der letzte Diktator Europas eigentlich privat? Ein satirischer Tag aus dem Leben des charismatischen Sprengkopfs.



   7 Uhr: Lukaschenko wird von der Wucht eines detonierenden Atomweckers aus dem Schlaf gerissen. Gegen Morgensteifigkeit leichte Schiessübungen aus dem Fenster. Danach ab unter die Dusche zur gründlichen politischen Säuberung.

   7.15 Uhr: Zum Ondulieren seines Schnauzers verwendet Lukaschenko radioaktive Brennstäbe sowie ein Bartelixier aus russischem Erdöl und den Tränen von Oppositionellen. Beim Einschalten seines nuklear betriebenen Nasenhaartrimmers kommt es zum Kurzschluss. Wie jeden Morgen sind Hunderttausende Minsker vom Internetausfall betroffen, weswegen sie von der Präsidentenwahl sowieso nichts mitbekommen.

   10.20 Uhr: Spätes Siegerfrühstück. Zur Feier des Tages genehmigt sich der Diktator heimische Spezialitäten: Einen fluffigen Kartoffel-Speck-Babka mit geraspelten Protestnoten aus Brüssel und Berlin; dazu gibt es frische Forelle mit zwei Köpfen und drei Schwanzflossen, die bei Ostrowec nahe der ukrainischen Grenze gefangen wurde, wo dieser Tage der erste weisrussische Atommeiler hochgefahren wird. Lecker.

   11.45 Uhr: Die Arbeit ruft. Der übliche Papierkram. Das lästige Unterzeichnen von Erschiessungsbefehlen sowie die Sichtung der Glückwunschtelegramme ziehen sich in die Länge. Zu den ersten Gratulanten gehören Kim Jong Un, Vladimir Putin, Heiko Maas und Claudia Roth. Die Guten.



   13 Uhr: Abstecher ins Parlament. Die Minsker Strassen sind noch blutverschmiert von der heissen Nacht. Was für eine Wahlparty das auch war! Infernalischer Applaus dann im Repräsentantenhaus von allen Abgeordneten, darunter auch von einigen, die auf den ersten Blick psychisch unauffällig wirken.

   14.48 Uhr: Anruf aus Moskau. Am Bildschirm Vladimir Putin. Der russische Zar gratuliert mit nacktem Oberkörper aus dem Urlaub in Sibirien zum grossartigen Wahlsieg über Demokratie und Dekadenz. Es folgen via Skype minutenlange intensive Bruderküsse nach altsowjetischem Brauch. Danach ist der Tablet schrottreif.

   22.15 Uhr: Lukaschenko blickt müde in den Badezimmerspiegel. Was für ein anstrengender Tag! Die Augenränder sind gross wie Dichtungsringe einer Sputniks. Typisch für einen Workaholitsch.

   23 Uhr: Einschlafprobleme wegen Strassenlärms. Schreie sind zu hören. Sirenen. Wahrscheinlich wieder junge Partygänger, die seinen Sieg feiern. Lukaschenko nimmt vorsorglich einen Erdbeerwodka als Schlummertrunk, zählt Blendgranaten und Gummigeschosse bis zum Einschlafen. Das wirkt. Gute Nacht, Belarus.
 

 

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