Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (03. Oktober 2020)
 
Mund auf beim Boxenstopp
 

Dinge der Woche: Frisch aus dem Krisengebiet zurückgekehrt, wird mehr oder weniger berichtet live vom Abenteuerurlaub in der südfranzösischen Provinz.

   Jetzt, da alles noch mal gut gegangen ist, kann ich es ja verraten. Ich war in einem Krisengebiet. Nicht journalistisches Sendungsbewusstsein hatte mich dorthin verschlagen. Die pure Lust am Vergnügen war es. Andere sagen dazu auch Urlaub.

   Zu meiner Entschuldigung will ich vorbringen, dass das Krisengebiet noch keines war, als wir uns auf den Weg gemacht haben. Auch bei der Auskunft deutet nichts auf eine Bedrohung hin. Die Grillen zirpen, der Himmel ist azurblau, also alles wie immer, ausser dass der Campingplatz in der hübschen südfranzösischen Pampa zu dieser späten Jahreszeit noch leerer war wie sonst üblich.



   Während man auf der Holzveranda vor seinem gemütlichen Plastikwohncontainer sitzend, sich bei einem Fläschchen Côtes du Rhône so sicher und geborgen fühlt wie  hinterm Lenkrad eines SUV, blinkt nach einer Woche ein Warnhinweis des Auswärtigen Amtes auf dem Handy auf. Natürlich lässt so eine Nachricht die Campingplatzinsassen erschreckt aufhorchen. Fortan wird nicht mehr in gebotenem Abstand über Wetter und Corona parliert, sondern nur noch über Corona.

   Ausserdem wären wir Deutschen keine Dichter und Denker, hätten wir im spätsommerlichen Süden nicht bereits den Winter im Blick. Jemand erzählt von neuartigen Öko-Heizpilzen, die von unten her wärmen und die Gastronomen durch den Winter bringen sollen. Mein Einwurf, das könne zu einer Fusspilzpandemie führen, wurde überhört.

   Ansonsten verlaufen die zweieinhalb Wochen Abenteuerurlaub im Krisengebiet recht unspektakulär. Das Flüsschen Cèze fliesst träge dahin, als sei nichts geschehen. Bei den wenigen Abstechern in bewohntes Gebiet trägt man solche Schutzmasken. Nur einmal, auf einer Radtour, wird es eng, als vor mir ein Pedaleur einschert und meint, seine Nasenlöcher freiblasen zu müssen. Aerosolwolken sind im mediterranen Abendlicht recht hübsch anzusehen. Dennoch halte ich die Luft an und ducke mich weg. In so einem Moment bedauert man, dass man nicht über ein handfestes handelsübliches Schimpfwörterrepertoire verfügt.

   Dann, auf der Heimfahrt, eine kurze Einkehr auf einen zum Corona-Testzentrum umfunktionierten Rastplatz. Krankenkarte gezückt, Mund weit auf, Wattestäbchen tief rein. Bis das Ergebnis in ein bis zwei Tagen vorliege, sollten wir uns in Quarantäne begeben, sagt freundlich ein zur Unerkenntnis markierter junger Mann, der eine Bundeswehruniform unter dem weissen Ärztekittel trägt. Er wünscht gute Weiterfahrt.



   Wenn ich bisher von unserem Urlaub erzählt habe, stiess am meisten der Ablauf beim Testzentrum auf Interesse. Die Detailversessenheit mancher Freunde und Kollegen weckt in mir den Verdacht, dass sie beabsichtigen, das Ganze daheim nachzuspielen.

   Die Prozedur auf dem Rastplatz dauerte übrigens kaum länger als ein Boxenstopp in der Formel Eins. Vielleicht war das der Grund, dass ich auf den restlichen Kilometern an Corinna denken musste. Sie wissen schon, die erfolgreiche Reiterin und Ehefrau von Schumi. Boxenstopp, Corona, Corinna. Mir fällt dazu nichts ein, aber ich bin mir sicher, dass ein versierter Verschwörungstheoretiker daraus Honig saugen kann.
 

 

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