Humor

Auf die Schippe genommen
 

Kehrwochen-Kompaktkurs auch für Nichtschwaben / Von Alfred Behr

Stuttgart, 17. Februar. Wer im Schwäbischen mit dem Treppenputzen oder Straßenfegen an der Reihe ist, pflegt zu sagen, er habe „Kehrwoche". Bisweilen scheint es, als liebten die Schwaben die Kehrwoche noch mehr als den Trollinger oder die Schwäbische Alb. Als der Stuttgarter Gemeinderat vor zehn Jahren beschloß, die Kehrwoche offiziell abzuschaffen, griffen sich die Schwaben an den Kopf. Das war für sie so unbegreiflich wie die Abschaffung der Fassenacht in Mainz oder die Aufhebung des Wäldchestags in Frankfurt.

Wenn es um die Kehrwoche geht, verstehen die Schwaben keinen Spaß. Das hat jetzt auch der Leiter der Volkshochschule im schwäbischen Calw am Rande des Nordschwarzwaldes, Klaus-Peter Hartmann, erfahren. Der Schwabe Hartmann hat in seinem Veranstaltungskalender einen „Kehrwochen-Kompaktkurs auch für Nichtschwaben" angekündigt, Beginn am 1. April. Was als Aprilscherz gedacht war, wird demnächst tatsächlich stattfinden. Denn es haben sich mehr als hundert Interessenten angemeldet, die Hartmann nicht enttäuschen möchte. Dabei hatte der Chef der Volkshochschule in die Ankündigung so viel Jux gepackt, daß den Lesern eigentlich ein Licht hätte aufgehen müssen. Da hieß es, für den erstmals angebotenen Kompaktkurs können sich auch Nichtschwaben mit keinen oder nur geringen Vorkenntnissen in die Kunst der Kehrwoche einweisen lassen. So würden sie mit örtlichen Gepflogenheiten und heimischem Brauchtum vertraut, was ihnen helfe, sich schnell im Schwabenland zu integrieren. Der Kurs biete nach einer theoretischen Einführung in die historisch-soziologische Bedeutung der Kehrwoche auch praktische Übungen an. Einer Materialkunde mit Besen, Schrubber und Kehrblech folge „das Erlernen der wesentlichen Griff-, Halte-, Schwung- und Schrubbtechniken". Am Ende des Lehrgangs sollte jeder Teilnehmer in der Lage sein, selbständig ein Stück Straße zu kehren.

Mitzubringen, hieß es im Text, seien Kopftuch, Kittelschürze und ein Rundholz für Griffübungen. Wer die Kompaktwoche mit Erfolg absolviert habe, dürfe an einer Exkursion in ein schwäbisches Dorf teilnehmen, wo er die im Kurs erworbenen Techniken „in der authentischen Atmosphäre eines Samstagvormittags in der professionellen Anwendung" beobachten könne.

Für den Kurs meldeten drei Ortsverwaltungen ihre Gemeindearbeiter an. Eine Frau aus Calw meldete ihren Mann an. Auch 35 Besucher aus England, die sich in Kürze im Kreis Böblingen umsehen wollten, baten um Platzreservierung für den Kehrwochen-Kursus. Die Calwer Volkshochschule macht aus dem Spaß nun Ernst und gibt Kehrwochen-Unterricht. Wie der aussehen soll, ist noch nicht bekannt.

Der württembergische Graf Eberhard im Bart hätte seine Freude an der Geschichte. Er hat im Jahre 1492 die Kehrwoche in Stuttgart eingeführt. Seitdem verstehen die Schwaben keinen Spaß mehr, wenn es um den letzten Dreck geht.

(F.A.Z., 18.2.1998) 

 

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